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Winter auf Italienisch

Winter auf Italienisch

Titel: Winter auf Italienisch
Autoren: Joleen Carter
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das Flachland des deutschen Nordens
gewohnt, war dieser Anblick immer aufs Neue ein Wunderwerk der Natur für mich.
Zudem liebte ich Schnee beinahe ebenso sehr wie den Sommer und das Meer.

 
    Die Unterhaltung der anderen rauschte in
wohlklingender Fremdsprache an mir vorbei, so sehr hing ich meinen eigenen
Gedanken nach. Daher bemerkte ich auch nicht, dass Mattia aufgestanden war.
Erst jetzt, als ein Körper direkt hinter mir seine Wärme abstrahlte, wurde ich
wieder geerdet. Er reichte mir einen Becher mit dampfendem Tee und beugte sich
dabei so weit vor, dass eine Haarsträhne meine Wange streifte. Er duftete wie
ein italienischer Frühlingsregen. Ich atmete tief ein und schloss unwillkürlich
kurz die Augen. Ich griff nach dem Becher und übersah dabei, dass er seine Hand
noch nicht davon gelöst hatte. Meine Hand lag auf seiner, die sich trotz der
Kälte erstaunlich warm anfühlte. Überhaupt fühlte es sich gut an. Wohlig warme
Schauer krochen meinen Arm entlang. Mein ganzer Körper heizte sich
augenblicklich auf. Meine Wangen begannen zu glühen. Schnell zog ich meine Hand
zurück und murmelte ein »Grazie«.

 
    »Di niente! Gern geschehen!«, flüsterte
er so leise an meinem Ohr, dass weitere Hitzewellen mich durchströmten.
    Dann war er fort. Das heißt, er ging
weiter herum, um Tee in Becher zu füllen. Schließlich setzte er sich und
befüllte seinen eigenen Becher. Mit Giacomo, Marco und Filippo besprach er die
Route. Sie beratschlagten darüber, ob sie, falls die Straße im letzten
Abschnitt nicht freigeräumt war, nicht lieber eine andere nehmen sollten. Die
war zwar länger, aber eventuell noch ohne Schneeketten zu befahren. Jedes Mal,
wenn Mattia seinen Becher an die Lippen führte, sah er über den Rand zu mir
hinüber. Auch wenn ich mich gerade mit Mafalda über meine Eindrücke
austauschte, entging mir das nicht. Schließlich ließ ja auch ich meinen Blick
immer wieder unauffällig zu ihm schweifen. Was war das nur? Ich konnte gar
nichts dagegen tun. Meine Freundin Mafi und die anderen, die ich so gern um
mich hatte, verblassten in der Gegenwart dieses mir noch so fremden jungen
Italieners.

 
    Ich half beim Abräumen und
Zusammenpacken, während die Männer noch einmal mit dem Tankwart diskutierten.
Schließlich stiegen wir alle wieder ein. War ich froh, als mein Golf wieder
warmgelaufen war und ich die Heizung voll aufdrehen konnte. Meine Füße fingen
an zu jucken, als sie auftauten. Am liebsten hätte ich mir die Stiefel
ausgezogen. Stattdessen hielt ich den Fuß konstant auf dem Gaspedal, um nicht
von dem schwarzen Alfa Romeo abgehängt zu werden.
    Die Straße wurde schmaler und kurviger,
war aber frei befahrbar. Nur an den Straßenrändern türmte sich der Schnee mit
jeder Serpentine höher.
     
    Es dauerte mehr als drei Stunden, bis
wir endlich in Cervinia eintrafen. Laut Signor Carusos fuhr man im Sommer in nur
etwa 90 Minuten von Aosta hier herauf.
    Piazza Carrel stand auf dem
Straßenschild, das schief aus dem Schneehaufen am Straßenrand ragte. Mattia
bremste seinen Wagen ab und suchte offensichtlich etwas. Ich folgte ihm in
Schrittgeschwindigkeit. Die Straße war schneebedeckt. Ich passte besser auf,
dass ich nicht zu dicht auffuhr.
    »Hotel Bijou« stand in bunten Lettern auf
der Holzvertäfelung unter dem leicht angespitzten Dach des rustikalen
Berghotels. Wenige Meter neben der Eingangstreppe bog Mattia in eine
Garagenauffahrt. »Zum   Glück hat dein
Vater an einen Garagenplatz gedacht«, sagte ich zu Mafi.
    »Falls es in diesem Ort Parkplätze gibt,
sind sie irgendwo unter Schneemassen begraben worden«, gab Mafi lachend zurück.

 
    »Stell dich da hin! Gleich neben den
Grünen da!«, rief Cinzia und zeigte an meinem Kopf vorbei nach vorne rechts.
Die Männer hatten gleich hinter der Einfahrt einen freien Parkplatz ergattert,
aber der, den Cinzia gefunden hatte, war auch nicht schlecht, denn er befand
sich in unmittelbarer Nähe des Aufzugs.
    Während Mattia im Wagen alles zusammen
sammelte, luden Giacomo und Filippo den Kofferraum aus. Marco dagegen kam und
half uns mit unseren Koffern.
    »Erfahrungsgemäß weiß ich, dass das
Gepäck von Frauen immer doppelt so schwer ist wie das von uns Männern«, sagte
er und wurde dafür von Elisabeta geboxt.
    »Ai!«, rief er theatralisch aus. »Ist das
der Dank dafür, dass ich euch als Einziger zur Hilfe geeilt bin?«
    Elisabeta strich ihm tröstend über sein
kurzes Haar und küsste ihn auf die Wange.
    »Schon besser!«,
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