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Winter auf Italienisch

Winter auf Italienisch

Titel: Winter auf Italienisch
Autoren: Joleen Carter
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er
sich nach seinem Zuhause sehnte.

 
    In Basel fuhren wir über die Grenze. Die
Schweizer Autobahnen stellten immer wieder eine Herausforderung für mich dar, teilten
sie sich andauernd wie aus dem Nichts in Abzweigungen auf. Doch diesmal verließ
ich mich einfach auf den Alfa Romeo, der vor mir fuhr. Ihm schienen die
Straßenverhältnisse keine Probleme zu bereiten.

 
    Zwei Stunden später sah ich die Berge. Und
Lausanne! Jedes Mal wieder musste ich bei Montreux an der Raststätte halt
machen, um diesen einmaligen Ort am Genfer See auf mich wirken zu lassen.
Diesmal stand ich Arm in Arm mit Mattia dort. Und das war noch schöner.
    In Martigny endete die Autobahn. Von nun
an schlängelte sich eine zweispurige Straße um Berge und durch urige Dörfer,
bis schließlich die mir so vertraute Tankstelle direkt vor der Einfahrt zum
Gran San Bernardo-Tunnel ins Blickfeld rückte. Diesmal waren die Straßen frei
passierbar, denn um diese Zeit im Frühsommer lag hier selten noch Schnee,
obwohl es hier deutlich kälter war als in den Tälern. Wieder tankten wir voll
und aßen noch eine Kleinigkeit. Mattia kaufte mir einen kleinen
Plüschbernhardiner, wie sie hier in großen Körben als Souvenir angeboten
wurden. Dieser saß nun auf dem Armaturenbrett und begleitete mich auf den
letzten Kilometern meiner Reise.

 
    Im Tunnel befand sich erst die Schweizer
Grenze, die wir ohne Probleme passierten. Wenig später folgte die Italienische.
Diesmal wurden wir herausgewunken, alle beide. Ich bekam Herzklopfen. Waren
unsere Wagen zu voll beladen? Wollten sie jetzt etwa unser gesamtes Gepäck
durchsehen? Ich bekam Schweißausbrüche, doch Mattia blieb ruhig. Ja, er grinste
sogar. Was war denn hier los?
    »Signor Buratti?« Mattia nickte.
    »Und dann ist das sicher die Signorina!«
    Der Zollbeamte kam auf mich zu. Ich
wollte ihm meine Papiere reichen, aber er kam und schüttelte mir die Hand.
Verständnislos blickte ich zwischen Mattia und dem Beamten hin und her. Nun kamen
noch zwei weitere Männer aus dem Grenzhäuschen, die mir auf die Schulter
klopften.
    »Mi scusi, Signor! Entschuldigen Sie,
aber ich verstehe nicht. Was ist denn hier eigentlich los?«
    »Er hat Ihnen tatsächlich nichts
erzählt?«
    Der Zollbeamte nickte anerkennend
Richtung Mattia. Der zuckte nur mit den Schultern und grinste weiter.
    »Nun gut!«, fuhr der Zöllner fort. »Dann
werde ich mal die Situation aufklären.«
    Er räusperte sich.
    »Allora, also, mein Kollege hier«, er
zeigte auf den langen, dünnen Beamten zu seiner Linken. »Also der hatte im
Winter einen Skiunfall, der ihn nach Aosta ins Krankenhaus führte. Dort traf er
auf den Chefarzt der Klinik, der sein Bein operieren musste. Sie kamen ins
Gespräch und sprachen letztendlich auch über Sie, Signorina. Signor Caruso
versprach meinem Kollegen, ihm die Behandlungskosten zu erlassen, wenn wir
bereit seien, Ihnen zu einer Anstellung zu verhelfen. Das war nicht ganz
leicht, aber am Ende ist es uns doch gelungen, höhere Stellen davon zu
überzeugen, dass wir in Zukunft auf keinen Fall mehr auf die junge deutsche
Dame verzichten können. Wegen Ihrer vorzüglichen Sprach- und Zollkenntnisse,
versteht sich.« Erwartungsvoll und auch ein bisschen stolz sah er mich an. Alle
sahen mich an. Dabei war ich vorerst sprachlos.

 
    Dann heulte ich schon wieder. Vor Freude
diesmal. Was waren sie doch für besondere Menschen. Dieser Zusammenhalt. Immer
gab es jemanden, der half, der einen kannte, der eine Lösung wusste.
    »Ihr seid alle der Wahnsinn«, brachte ich
schließlich heraus.
    »Möchten Sie diese Stelle ab 1. Juli
antreten, Signorina?«, hakte der Beamte nach.
    »Ma certo! Aber sicher doch! Nichts täte
ich lieber als das. Ich danke Ihnen allen so sehr dafür, dass sie mir eine
Chance geben wollen, damit ich endlich mit meinem Verlobten Mattia
zusammenbleiben kann.«
    Wie in einer deutschen
Charterflugmaschine im Landeanflug klatschten sie alle in die Hände.

 
    Schließlich fuhren wir weiter. Als wir
das Ende des Tunnels erreichten, stand die Sonne Italiens noch hoch am Himmel.
Und als mich ihre Strahlen erreichten und im Auto wärmten, da wusste ich, dass
ich auf dem Weg nach Hause war.

 
                          La fine sarà l‘ inizio
                          (Das Ende wird der Anfang sein)

 
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