Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wind (German Edition)

Wind (German Edition)

Titel: Wind (German Edition)
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
dem Hereinbrechen des Sturms! Lief in Mittwelt denn nie etwas glatt? Eddie griff gerade nach vorn über die Rückenlehne, um die längeren Balken schräg durch die Tür zu bugsieren, da hörte er Jake rufen:
    »Oy! Oy ist noch draußen! Oy! Zu mir!«
    Oy schenkte ihm keine Beachtung. Er hatte aufgehört, sich im Kreis zu drehen, hockte einfach nur da und reckte die Schnauze dem aufziehenden Sturm entgegen. Der Blick seiner goldgeränderten Augen wirkte abwesend, wie in einem Traum gefangen.

14
    Jake überlegte nicht lange und achtete auch nicht auf die rostigen Nägel, die aus Eddies letzter Holzladung ragten. Er kletterte wieselflink den splittrigen Stapel hinauf und sprang. Dabei prallte er gegen Eddie, der dadurch zurücktaumelte. Eddie bemühte sich, nicht hinzuschlagen, stolperte aber über die eigenen Beine und plumpste auf den Hintern. Jake sank auf ein Knie, rappelte sich jedoch gleich wieder auf. Die Augen hatte er weit aufgerissen, und sein langes, strubbeliges Haar flatterte nach hinten.
    »Jake, nein!«
    Eddie wollte ihn festhalten, bekam aber nur den Ärmel zu fassen. Der vom vielen Waschen fadenscheinige Baumwollstoff riss sofort.
    Roland erschien in der Tür. Er schlug die überlangen Balken zur Seite und achtete dabei wie zuvor Jake nicht auf die Nägel. Dann zerrte der Revolvermann den Rollstuhl über die Schwelle und grunzte: »Rein mit dir!«
    »Jake …«
    »Jake kommt durch oder auch nicht.« Roland packte Eddie am Arm und riss ihn hoch. Im Wind knatterten ihre alten Jeans wie MG-Salven und flatterten um ihre Beine herum. »Er muss allein zurechtkommen. Rein mit dir!«
    »Nein! Fick dich doch! «
    Roland diskutierte nicht lange, sondern zerrte Eddie einfach durch die Tür. Drinnen fiel Eddie der Länge nach hin. Susannah, die vor dem Feuer kniete, starrte ihn an. Ihr Gesicht war schweißnass, und ihr Hirschlederhemd war vorn ganz durchgeschwitzt.
    Roland stand mit grimmiger Miene an der Tür und beobachtete, wie Jake zu seinem Freund rannte.

15
    Jake spürte, wie die Temperatur der Umgebungsluft ins Bodenlose fiel. Mit einem trockenen Knacken brach ein Ast ab, und Jake musste sich ducken, damit dieser über ihn hinwegsegelte. Oy machte keine Bewegung, bis der Junge ihn hochriss. Dann sah der Bumbler sich wild um und fletschte die Zähne.
    »Beiß zu, wenn du musst«, keuchte Jake. »Aber ich setze dich nicht ab.«
    Aber Oy biss nicht, und Jake hätte einen Biss vermutlich sowieso nicht gespürt. Sein Gesicht war bereits gefühllos. Als er sich nach dem Versammlungshaus umdrehte, wurde der Sturm in seinem Kreuz zu einer riesigen, kalten Hand. Er rannte los und war sich bewusst, dass er jetzt wie ein Astronaut, der in einem SF-Film über die Mondoberfläche lief, in absurden Riesensprüngen vorankam. Ein Sprung … zwei … drei …
    Beim dritten Sprung kam er nicht mehr auf dem Boden auf. Stattdessen wurde er mit Oy in den Armen waagrecht fortgeblasen. Vor ihm war wie ein gewaltiges, kehliges Räuspern eine Detonation zu hören, mit der eines der alten Häuser unter dem Winddruck einstürzte, das dann in einem Schrapnellhagel nach Südosten davonflog. Jake sah eine ganze Treppe mitsamt dem angebauten einfachen Geländer zu den über den Himmel rasenden Wolken hinaufkreiseln. Als Nächstes sind wir dran, dachte er, und dann packte ihn eine Hand – mit nur noch drei Fingern, aber trotzdem sehr kräftig – am linken Oberarm.
    Roland steuerte ihn in Richtung Tür. Sekundenlang war der Ausgang ungewiss, weil der Wind, der immer noch an Stärke und Kälte zunahm, sie vom rettenden Eingang abzudrängen drohte. Dann warf Roland sich durch die Tür, während seine verbliebenen Finger sich tief in Jakes Fleisch gruben. Der Winddruck ließ so schlagartig nach, dass sie beide zu Boden gingen.
    »Gott sei Dank!«, rief Susannah aus.
    »Dankt ihm später!« Roland musste mit ganzer Kraft gegen den brausenden Sturm anschreien. »Drückt die verdammte Tür zu! Alle zusammen! Susannah, du ganz unten! Mit aller Gewalt! Wenn sie zu ist – falls wir sie zubekommen –, legst du den Querriegel vor, Jake! Hast du verstanden? Lass ihn in die Halterungen fallen! Und zwar schnellstens!«
    »Das weiß ich auch allein!«, blaffte Jake zurück. An der rechten Schläfe hatte er eine Risswunde, aus der ihm ein dünner Blutfaden über die Wange lief, aber sein Blick war klar und unerschrocken.
    »Jetzt! Drückt! Drückt um euer Leben!«
    Langsam schloss sich die Tür. Sie hätten sich nicht lange dagegenstemmen können –
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher