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Wind (German Edition)

Wind (German Edition)

Titel: Wind (German Edition)
Autoren: Stephen King
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leistete ihm Gesellschaft. Zwischen den beiden lag Oy, der mit einer Pfote über der Schnauze schlief. Susannah gesellte sich zu ihnen. Das Feuer war etwas heruntergebrannt, aber aus dieser Nähe fühlte es sich auf Gesicht und Armen beruhigend warm an. Sie griff nach einem Brett, wollte es in zwei Teile brechen, überlegte sich dann aber, dass Eddie davon aufwachen könnte, und warf es ganz ins Feuer. Funken stoben in den Kamin hinauf, wo die kalte Luft sie verwirbelte.
    Diese Rücksichtnahme hätte sie sich sparen können, denn noch während die Funken tanzten, liebkoste eine Hand ihren Nacken dicht unter dem Haaransatz. Sie brauchte nicht hinzusehen; diese Berührung hätte sie überall erkannt. Ohne sich umzudrehen, ergriff sie die Hand, führte sie an ihre Lippen und küsste die Innenseite. Die weiße Handfläche. Auch nachdem sie jetzt so lange zusammen waren und sich so oft geliebt hatten, konnte sie das manchmal kaum glauben. Trotzdem war es eine Tatsache.
    Wenigstens muss ich ihn nicht nach Hause mitnehmen und meinen Eltern vorstellen, dachte sie.
    »Du konntest nicht schlafen, Schatz?«
    »Nur ein bisschen. Nicht viel. Ich hatte komische Träume.«
    »Die bringt der Wind«, sagte Roland. »In Gilead würde dir das jeder sagen. Irgendwie mag ich das Windgeheule aber. Das war schon immer so. Es beruhigt mich tief im Innern und erinnert mich an alte Zeiten.«
    Er sah beiseite, als machte es ihn verlegen, so viel gesagt zu haben.
    »Keiner von uns kann schlafen«, sagte Jake. »Erzähl uns also eine Geschichte.«
    Roland starrte eine Zeit lang ins Feuer, dann sah er zu Jake hinüber. Der Revolvermann lächelte jetzt wieder, aber sein Blick wirkte wie weggerückt. Im Kamin zerplatzte knackend ein Astknorren. Außerhalb der Steinmauern kreischte der Wind, als wäre er zornig über seine Unfähigkeit, hier einzudringen. Eddie legte einen Arm um Susannahs Taille, worauf sie den Kopf an seine Schul ter schmiegte.
    »Was für eine Geschichte möchtest du denn hören, Jake, Sohn von Elmer?«
    »Irgendeine.« Jake hielt kurz inne. »Eine über die alten Zeiten.«
    Roland sah zu Eddie und Susannah hinüber. »Und ihr? Möchtet ihr eine hören?«
    »Ja, bitte«, sagte Susannah.
    Eddie nickte. »Yeah. Das heißt, wenn du Lust hast.«
    Roland überlegte. »Vielleicht erzähle ich euch ja sogar zwei. Bis zum Morgengrauen ist es lange hin, und den morgigen Tag können wir ruhig verschlafen, wenn wir wollen. Die eine Geschichte steckt in der anderen. Aber durch beide weht der Wind hindurch, was eine gute Sache ist. In einer stürmischen Nacht, in der man in einer kalten Welt ein warmes Plätzchen gefunden hat, gibt’s nichts Besseres als Geschichten.«
    Er griff nach einem abgebrochenen Stück Wandtäfelung, scharrte damit die Glut zusammen und warf das Holz dann ins Feuer.
    »Eine davon ist eine wahre Geschichte, die ich mit meinem Ka-Tet -Gefährten Jamie DeCurry selbst erlebt habe. Die andere – ›Der Wind durchs Schlüsselloch‹ – ist eine, die mir meine Mutter vorgelesen hat, als ich noch klein war. Alte Geschichten können nützlich sein, wisst ihr, und speziell diese hätte mir gleich einfallen müssen, als ich gesehen habe, wie Oy in die Luft geschnüffelt hat, aber das ist alles schon lange her.« Roland seufzte. »Vergangene Zeiten.«
    Im Dunkel außerhalb ihrer von Feuerschein erhellten kleinen Höhle steigerte der Wind sich wieder einmal zu einem wilden Kreischen. Roland wartete, bis er ein wenig abgeflaut war, dann fing er an zu erzählen. Eddie, Susannah und Jake hörten in dieser langen, stürmischen Nacht wie gebannt zu. Die Stadt Lud, der Ticktackmann, Blaine der Mono, der Grüne Palast – alles war vergessen. Sogar der Dunkle Turm selbst war für einige Zeit vergessen. Es gab nur noch Rolands Stimme, die sich hob und senkte.
    So wie der Wind anschwoll und abklang.
    »Nicht lange nach dem Tod meiner Mutter, die – wie ihr wisst – durch meine Schuld gestorben ist …«

Der Fellmann
    (Teil 1)

Nicht lange nach dem Tod meiner Mutter, die – wie ihr wisst – durch meine Schuld gestorben ist, ließ mein Vater Steven, Sohn von Henry dem Langen, mich in sein Arbeitszimmer im Nordflügel des Schlosses kommen. Es war ein kleiner, kalter Raum. Ich erinnere mich, wie der Wind um die schmalen, hohen Fenster heulte. Ich erinnere mich an die übervollen wandhohen Regale mit Büchern – ein Vermögen wert, aber nie gelesen. Jedenfalls nicht von ihm. Und ich erinnere mich an den schwarzen Trauerkragen, den er
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