Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
Nachglühen auf dem Wasser.
    » Viel Zeit bleibt nicht mehr « , sagte Deirdre hinter ihr. » In spätestens einer Stunde ist es dunkel. «
    Elizabeth zauderte, jedoch nur kurz. » Es ist vielleicht das letzte Mal. Eine halbe Stunde reicht mir. «
    Entschlossen lenkte sie Pearl den Hügel hinab, und die junge irische Magd, die sie schon seit Jahren auf ihren Ausritten begleitete, folgte ihr auf dem Wallach, der früher Robert gehört hatte. Elizabeth bemerkte, dass ihre Gedanken sich in eine unerwünschte Richtung bewegten. Robert war tot, genau wie sein Vater Harold, aber die bösen Erinnerungen an ihn lebten ebenfalls fort. Seine zügellose Vielweiberei, seine unberechenbare Sprunghaftigkeit– ihre Ehe, aus reinen Vernunftgründen geschlossen, war ein Desaster gewesen, eine einzige Verkettung unseliger Irrtümer und Fehler, und Roberts gewaltsamer Tod der Auftakt grauenhafter Ereignisse. Doch das alles war vorbei. Sie und die Menschen, die sie liebte, hatten es überlebt. Wenn sie es sich selbst nur oft genug vorsagte, musste die Vergangenheit ihren Schrecken verlieren.
    Elizabeth berührte ihren Ehering, jenen, den Duncan ihr angesteckt und sie damit vor Gott und der Welt zu seiner Frau gemacht hatte. Sie gehörte zu ihm. Mit ihm gemeinsam konnte sie alles hinter sich lassen, die schlimmen Ereignisse ebenso wie die Orte, an denen sie sich zugetragen hatten. In zwei Tagen würden sie in See stechen und Barbados verlassen. Dann fing ihr neues Leben wirklich an.
    Sie erreichte den Strand und saß ab. Ohne zu zögern, zog sie sich aus und watete ins Wasser, das köstlich warm über ihre Haut spülte. Die Sonne leuchtete wie ein Flammenball über dem Horizont, und als Elizabeth hinausschwamm und untertauchte, erglühten unter ihr am Meeresgrund die Korallengärten in atemberaubenden Farben. Manche der pflanzenartigen Auswüchse waren geformt wie Blumen, andere wie Buckel, Zacken, Röhren oder Fäden. Sie bewegten sich träge mit der Meeresströmung und boten allerlei Getier Unterschlupf. Entzückt beobachtete Elizabeth einen Schwarm blau schillernder Fische, die, aufgeschreckt durch einen größeren Jäger, aus dem Riff stoben und blitzartig verschwanden. Der Raubfisch, ein kleinerer Hai, ließ sich wieder zwischen die bizarren Formationen des Meeresbodens zurücksinken, um dort auf neue Beute zu warten.
    Elizabeth zog eine gemächliche Runde über das Riff und tauchte anschließend auf, um Luft zu holen. Mittlerweile konnte sie recht lange unten bleiben. Es war alles eine Frage der Übung, und davon konnte sie reichlich vorweisen. Duncan fand ihre Leidenschaft fürs Tauchen ein wenig beängstigend. Er befürchtete immer noch, sie könnte aus Versehen einatmen, wenn sie unter Wasser war, was unausweichlich ihren Tod zur Folge haben würde. Wäre es nach ihm gegangen, hätte sie längst damit aufgehört, zumal sie nach seiner Überzeugung wegen ihrer Schwangerschaft mehr Rücksicht auf ihre Gesundheit nehmen sollte. Um seinen Unwillen nicht herauszufordern, war sie in der letzten Zeit nur noch tauchen gewesen, wenn er nicht auf Barbados war, was in den vergangenen Monaten allerdings kaum noch vorgekommen war. Einmal war er nach St. Vincent gesegelt, ein anderes Mal zu den nördlichen Antillen, bis hinauf zu den Bahamas, doch seit zwei Wochen lag die Elise in der Bucht von Bridgetown vor Anker– Duncan bereitete an Bord bereits alles für ihre gemeinsame Überfahrt nach England vor.
    Gedankenverloren ließ Elizabeth sich auf den Wellen treiben. Sie lag auf dem Rücken und trat langsam Wasser. Der Himmel über ihr war in leuchtendes Rot getaucht, das Meer um sie herum wie flüssiges Gold. Sie spürte einen Tritt des Kindes, und unwillkürlich tastete sie über die glatte Rundung ihres Bauchs.
    Der Zweifel der Ungewissheit bemächtigte sich ihrer, und wie so oft in der letzten Zeit fragte sie sich, was die Zukunft für sie und ihre Familie bereithalten mochte. Sie liebte die Karibik über alles, aber auf Barbados wollten sie und Duncan nicht länger leben. Zu viel Schlimmes war hier im vergangenen Jahr geschehen, zu feindselig seither die Stimmung auf der Insel. Wo immer sie erschienen, wurden sie von bohrenden Blicken verfolgt. Es hatte Argwohn und Abneigung bei den Leuten hervorgerufen, dass sie so bald nach Roberts Tod den verrufenen Freibeuter Duncan Haynes geheiratet hatte, und als sie ihre Schwangerschaft nicht mehr hatte verbergen können, war erst recht das Getuschel losgegangen. Bestimmt würde es auch nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher