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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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mehr lange dauern, bis den Klatschmäulern die Ähnlichkeit zwischen Jonathan und Duncan auffiel. Der Kleine war erst zwei Jahre alt, aber sogar dem Dümmsten konnte nicht auf ewig verborgen bleiben, dass er Duncan wie aus dem Gesicht geschnitten und folglich nicht Roberts Sohn war. Nur gut, dass sie weg sein würden, bevor jemand es bemerkte.
    Davon abgesehen hatte sie schon zu Roberts Lebzeiten viel Gerede auf sich gezogen– eine Frau, die im Herrensattel ritt, das Haar offen trug und ihr Mieder derartig nachlässig schnürte, konnte in den Augen der Leute unmöglich als tugendhaft gelten. Sie stand im Ansehen kaum höher als Claire Dubois, die französische Bordellbesitzerin im Hafen von Bridgetown.
    » Mylady! « , rief Deirdre. » Die Sonne geht unter! «
    Elizabeth schrak zusammen. Sie hatte völlig die Zeit vergessen. Eilig watete sie zurück zum Strand, mit beiden Händen das nasse Haar auswringend. Deirdre reichte ihr ein sauberes Leinentuch, das sie sich um den Kopf wickelte. Das Kämmen würde sie später erledigen. Mit einem anderen Tuch trocknete sie sich ab, bevor sie in ihre Sachen schlüpfte, die Deirdre über einen Felsen gebreitet hatte. Sie hatten bereits so häufig diese gemeinsamen Ausflüge unternommen, dass sämtliche Handreichungen sich wie von selbst aneinanderreihten. Elizabeth war binnen Minuten bereit zum Aufbruch. Deirdre hatte vorsorglich zwei mitgebrachte Windlichter angezündet, denn mit der sinkenden Sonne schwand bereits das letzte Licht des Tages. Sie würden einen Teil des Heimwegs bei Dunkelheit zurücklegen müssen. Blieb nur zu hoffen, dass Duncan noch nicht zu Hause war, sonst würde er es fertigbringen, ein Suchkommando auszuschicken.
    Elizabeth ritt voran. Die Laterne spendete nicht viel Licht, doch in der aufziehenden Dämmerung reichte es, um den Weg zu erkennen. Sie war ihn schon so oft entlanggeritten, dass sie ihn notfalls auch im Dunkeln gefunden hätte. Deirdre folgte ihr stumm auf dem Wallach. Sie hatte nicht viel geredet seit ihrem Aufbruch am späten Nachmittag. Elizabeth wandte sich zu ihr um.
    » Ist alles in Ordnung mit dir? « , fragte sie das Mädchen.
    Deirdre nickte stumm, bevor sie die Hand hob und einen Moskito totschlug, der sich auf ihrem Arm niedergelassen hatte. Bei Dämmerung kamen die gierigen kleinen Blutsauger in Schwärmen aus den Zuckerrohrfeldern am Rande des Dschungels und stürzten sich auf jedes Lebewesen in der Nähe.
    Eine widerspenstige Locke hatte sich aus Deirdres Haube gestohlen und leuchtete lohfarben im Licht der Laterne an ihrem Sattelhorn. Das Gesicht der jungen Irin war verschlossen und ernst. Elizabeth wusste, was das Mädchen bedrückte– Deirdre hatte immer noch keine Entscheidung getroffen. Elizabeth hatte ihren Schuldkontrakt zerrissen, Deirdre war frei und konnte gehen, wohin sie wollte, doch dazu hätte sie zuerst wissen müssen, wo ihr Ziel lag. Elizabeth hatte ihr anheimgestellt, mit ihr und Duncan fortzusegeln. Zunächst nach England, wo Elizabeth auf dem Landgut ihres Vaters nach dem Rechten sehen und ihr Kind zur Welt bringen wollte, und dann wieder zurück in die Karibik, wo es unzählige Inseln gab, die nicht von bigotten, hartherzigen Sklavenhaltern bevölkert waren und auf denen es sich gewiss besser leben ließ als auf Barbados. Duncan hatte bereits angefangen, sich nach einer neuen Heimat für sie umzutun, und Elizabeth wünschte sich, dass Deirdre mitkam.
    Das Mädchen war als Schuldmagd nach Barbados gekommen, aber die gemeinsam durchlebten Schrecken hatte sie beide zusammenrücken lassen. Deirdre war Elizabeth immer mehr ans Herz gewachsen. Außerdem liebte sie Johnny fast wie ein eigenes Kind. Doch da gab es auch Pater Edmond, an dem Deirdre noch mehr hing und den sie nicht verlassen wollte. Ihre innere Zerrissenheit war kaum noch zu übersehen. Elizabeth beschloss, nicht länger um den heißen Brei herumzureden. Sie zügelte Pearl, bis sie mit der Irin auf gleicher Höhe ritt.
    » Deirdre, übermorgen gehen wir auf die Reise. Ich weiß, dass dich viel mit Pater Edmond verbindet und du deshalb mit dem Gedanken spielst, seinetwegen auf Barbados zu bleiben. Aber du solltest nicht vergessen, dass du dich dadurch in Gefahr begibst. «
    » Ich weiß, Mylady. « Es klang ergeben, aber auch eine Spur trotzig.
    » Wie soll dein Leben aussehen, wenn du hierbleibst? « , fragte Elizabeth. » Willst du wieder bei Edmond in den Wäldern hausen? Ständig auf der Flucht, geächtet und verfolgt? So lange, bis sie ihn
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