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Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Titel: Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss
Autoren: Juergen Kehrer
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guten Einfall, wird er mit Sicherheit von einem der drei zerpflückt.«
    »Du raubst mir sämtliche Illusionen«, stellte ich zerknirscht fest.
    »Schon gut, Georg! Mach dich ruhig über mich lustig. Ich kann’s vertragen.« Dieter stand auf. »Man sieht sich.«
    Im Grunde verspürte ich wenig Lust, mich erneut unter das bunte Filmvolk zu mischen. Aber nach einer Dreiviertelstunde Fernsehprogramm sehnte ich mich nach Abwechslung. Der Nachteil von Mineralwasser gegenüber Bier liegt nämlich eindeutig darin, dass es weder schlapp noch müde macht. Außerdem bestand die vage Aussicht, mit Katinka Muschwitz ein geistreiches Gespräch anzufangen. Also schnappte ich mein Sakko und fuhr runter in die Kellerbar.
    Das Produzenten-Regisseur-Redakteur-Trio befand sich an seinem alten Platz und ließ sich weiter volllaufen. Katinka Muschwitz redete auf eine Frau ein, die mit ihr an einem anderen Tisch saß. Da ich nicht wie Robert de Niro aussehe und mich auch nicht so fühlte, machte ich keinen Versuch, ihre traute Zweisamkeit zu stören.
    Von Dieter keine Spur. Wahrscheinlich feilte er weiter an den schwierigen Dialogen (»Bleiben Sie stehen oder ich schieße!« Peng! Peng!). Ich ging zur Theke und bestellte einen Milchshake. Ich mochte keine Milchshakes, aber das Mineralwasser hing mir zum Hals raus.
    »Willkommen im Kasperletheater. Was spielen Sie denn? Den Kasper oder den Seppel?«
    Der ältere, kahlköpfige Mann auf dem Barhocker neben mir betrachtete gelangweilt sein leeres Glas. Die Stimme kam mir bekannt vor. Es war eine dieser Stimmen, die man tausendmal gehört hat.
    »Den Kasper, glaube ich.«
    »Oh, wie schön.« Er streckte abrupt seine rechte Hand aus. »Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle: Seppel.«
    Jetzt erkannte ich ihn. Karl-Heinz Becher, einer der Haudegen deutscher Serienherrlichkeit. Einstmals ein DDR-Staatsschauspieler, bevor er, ungefähr zeitgleich mit Manfred Krug und Armin Mueller-Stahl, in den Westen rübermachte und das bundesdeutsche Steuerrecht genauso hemmungslos verehrte wie früher das Kommunistische Manifest. Er war gut, wenn auch nicht ganz so gut wie Mueller-Stahl, der den Sprung über den großen Teich geschafft hatte, aber gut genug, um vom teutonischen Fernsehvolk ins Herz geschlossen zu werden. In letzter Zeit war es etwas still um ihn geworden. Ich hatte mal von Alkoholproblemen gelesen.
    »Sie klingen nicht wie ein Schauspieler«, stellte er fest.
    »Ich bin der Privatdetektiv.«
    »Ah. Sie sorgen für den Realismus in unserem Haufen.«
    »Sagen Sie es ruhig: Ich bin für die unfreiwillige Komik zuständig.«
    Er kicherte. »So krass wollte ich das nicht ausdrücken. Aber Sie haben natürlich recht. Künstlerisch ist das, was wir hier machen, die Lindenstraße für Rumänien. «
    »Und warum machen Sie dann mit?«
    Er zog eine filterlose Zigarette aus einer zerknäulten Packung und hängte sie sich wirkungsvoll in den Mundwinkel. »Ich hatte keine besseren Angebote. Flaute im Auftragsbuch. Die letzte Mini-Serie habe ich geschmissen, weil ich, na ja, ins Krankenhaus musste.« Er warf mir einen vielsagenden Blick zu. »Seitdem gelte ich als schwierig. Als schwierig zu gelten, ist so ziemlich das Schlimmste, was einem im Filmgeschäft passieren kann. Sie können alles machen, den Hund des Beleuchters vögeln oder was auch immer, nur schwierig dürfen Sie nicht sein. Dann machen die Produzenten einen großen Bogen um Sie herum. Außerdem ...«, er zog den Rauch bis tief in die Lungenwurzeln und kniff dabei die Augen zusammen, »... hat mich das Finanzamt am Arsch. Mein Steuerberater soll irgendwelche Einnahmen vergessen haben. Wie auch immer. Ich muss nehmen, was ich kriegen kann.« Seine tiefblauen Augen klimperten. »Kennen Sie das?«
    »Ja, das kenne ich«, antwortete ich treuherzig.
    »Sehen Sie.« Sein Gesichtsausdruck changierte vom gutmütigen Onkel zum Großstadtvampir. »Und das Drehbuch hält ja einige nette Sachen für mich bereit. Ich denke da an die Liebesszene mit Katinka auf der Jacht, wo wir uns nackt auf der Koje wälzen. Mein lieber Scholli. Ich glaube, ich werde die Szene ziemlich stürmisch anlegen. Dürfte zwar hinterher so aussehen, als würde ein Großvater seine Enkelin vernaschen, aber was soll’s?«
    Ich nickte. »Kann ich mir vorstellen. Ich glaube, ich geh noch mal nach draußen. Ein bisschen frische Luft schnappen.«
    »Viel zu warm draußen. Außerdem gibt’s da keine Bar.« Er wirkte enttäuscht. Vermutlich hatte er mit dem Gedanken gespielt, mir
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