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Willy Brandt und Helmut Schmidt: Geschichte einer schwierigen Freundschaft (German Edition)

Willy Brandt und Helmut Schmidt: Geschichte einer schwierigen Freundschaft (German Edition)

Titel: Willy Brandt und Helmut Schmidt: Geschichte einer schwierigen Freundschaft (German Edition)
Autoren: Gunter Hofmann
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über Kreuz. Ausdrücklich zitierte er in seinen Erinnerungen Schmidts Kritik an den Jungen, ihrer Besserwisserei in der Außenpolitik, dem ökonomischen Unfug, den sie glaubten, und auch den Vorwurf an seine eigene Adresse. Er lautete auf «Opportunismus gegenüber der gegenwärtigen dritten Wiederkehr einer bürgerlich-deutschen Jugendbewegung, gekennzeichnet von idealistischem, realitätsfeindlichen Romantizismus».[ 19 ] Höflich nennt Brandt das zwar «bedenkenswert», fügt dann aber hinzu, das sei noch nicht die Antwort auf die Frage, ob die neue Partei der Grünen so schnell so groß werden und der Sozialdemokratie so viele junge Leute abspenstig machen musste. Nirgends stand geschrieben, dass die der Umwelt- und Friedensbewegung entwachsende «konkrete Unwillensbildung» in eine eigene Partei münden musste. Er jedenfalls habe möglichst viele der unruhigen, auch träumerischen jungen Leute in die Sozialdemokratie zu integrieren versucht.
    Ein Urteil, dem schwer zu widersprechen ist. Große Teile der jüngeren Generation, gerade gut Ausgebildete, trieb Schmidt von der Politik eher weg. Für Randfragen hielt er das, was seine jugendlichen, grünen Kritiker hauptsächlich bewegte. Die Generation, die er für «verführbar» hielt, spaltet sich am Ende auch ab, und er war bereit, den Preis dafür zu zahlen. Ihre Besorgnis wegen der ökologischen Risiken hielt er zumindest für überzogen, die Wachstumskritik für grundfalsch.
    Aber – er gewöhnte sich an diese Kritik. Nicht zuletzt die Redaktion der ZEIT selbst war eine gute Schulung, viele dachten auch in diesem kleinen Kreis anders als er. Geduldig hörte er es sich an, als Daniel Cohn-Bendit in seinem Beisein bekannte, er und seine Generation, «wir sind ja praktisch die Kinder seiner Politik, ob er es will oder nicht». Versöhnlich fügte der deutsch-französische Revolutionsheld der 68er Jahre hinzu: «Denn ohne die Politik der Koalition, die er gemacht hat,– und die vielleicht gar nicht einmal so falsch war, wie wir es gesagt haben, während unsere Politik vielleicht auch nicht immer so falsch war, wie er es gemeint hat –, wären wir Grünen in dieser Republik wahrscheinlich nicht geboren worden.» Im gleichen Atemzug setzte er dazu an, die angeblich «lausige politische Klasse» gegen ihre Verächter in Schutz zu nehmen.[ 20 ]
    Aber ob es um Joschka Fischer, Daniel Cohn-Bendit, Erhard Eppler, Henning Scherf geht, seinerseits hat Schmidt bis heute – 93 Jahre ist er jetzt alt – keine Lust auf eine solche Versöhnung. Denn, nicht wahr, den Beitrag seiner Generation zur Selbstverständigung der Republik erkannten diese «Grünen» (oder Linken) nicht an?

    Im Jahr vor dem Tod von «Loki» – das Ehepaar Schmidt bei einer ZEIT-Geburtstagsfeier zum 90. des Altkanzlers und Mitherausgebers des Wochenblattes Anfang 2009.
    Anderes kam erschwerend hinzu. Brandt fiel es nicht schwer, sich einzulassen auf Experimente, sein Leben bestand daraus. Schmidt warnte vor Risiken, die man nicht überblicken könne, lebenslang. Er war Soldat, er wollte überleben – und gewinnen. Brandt war nicht im Krieg. Er suchte Wege und Auswege, Öffnungen, er entdeckte die Chancen darin, so hatte er überlebt im Exil. Schmidt bevorzugte das «Schließen», er wollte Realist bleiben, er warnte vor der ewigen Suche nach den «Türmen der Kathedrale von Chartres», nicht in der Politik jedenfalls! Brandt zeigte Vertrauen, die Republik werde sich schon selbst erziehen. Schmidt war überzeugt, sie müsse erzogen werden.
    Willy Brandt war der Mann der Anfänge. Auf Kontinuitäten legte Helmut Schmidt hingegen besonderen Wert, seit 1949!
    Helmut Schmidt, der heldenhaft rauchte auch vor den Fernsehkameras noch mit neunzig Jahren und über Herbert von Karajan spottete, dessen ganzes Leben habe aus Disziplin bestanden, «war eine der politischen Figuren des späten zwanzigsten Jahrhunderts, von denen es nicht gerade zuviele gab», schrieb der britische Historiker Norman Stone respektvoll in seiner Studie über das Ende des Kalten Krieges. Während er Brandts Ostpolitik als Beitrag zur Vertrauensbildung zwischen West- und Osteuropa einen langen Passus widmete, ging er allerdings auf den von Schmidt angestoßenen Nachrüstungsbeschluss nicht ein – voller Bewunderung aber auf «sein strategisches Verständnis dafür, dass gute Beziehungen zu Moskau am Ende auf einen Deal hinauslaufen würden, Ostdeutschland ein Ende zu bereiten».[ 21 ] Deutschland, fuhr Stone in seiner
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