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Willy Brandt und Helmut Schmidt: Geschichte einer schwierigen Freundschaft (German Edition)

Willy Brandt und Helmut Schmidt: Geschichte einer schwierigen Freundschaft (German Edition)

Titel: Willy Brandt und Helmut Schmidt: Geschichte einer schwierigen Freundschaft (German Edition)
Autoren: Gunter Hofmann
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eine Rückblende auf seine Lehrjahre gestatte er sich. In einem «schizophrenen» Zustand habe er sich – mit Millionen anderen – als junger Soldat befunden, tagsüber kämpfte man, nachts wünschte man sehnlichst ein Ende der Nazi-Diktatur herbei, zitierte er sich noch einmal. In dem Land, in dem idealistische junge Leute von oben herab «verführt» worden waren während der zwölf Hitler-Jahre, sollte die Politik nun gerade die Aufgabe übernehmen, künftig vor solchen Verführungen zu bewahren. Helmut Schmidt, man sah es, hörte es, spürte es, war in seinem Element. So grundsätzlich das alles klang, es wurde dennoch die persönlichste Rede, der intimste Einblick in seine Lehr- und Meisterjahre, den Helmut Schmidt je gewährte.[ 8 ]
    Von der bitteren Stunde, jener Episode im November 1983 in Köln, als 400 Delegierte Schmidt und dreizehn seiner Getreuen gegenüberstanden, war keine Spur mehr geblieben.
    Wenig davon hätte Brandt zwar so formuliert, aber vieles hätte auch er unterschrieben. Verabschiedet hatte sich in diesen zwei Stunden jener Helmut Schmidt von der Parlamentsbühne, mit dem ihn – trotz aller Fremdheit – seit den fünfziger Jahren ein tiefer Konsens verband. Willy Brandt sagte Valet vor seinem bevorzugten Forum, bei einem außerordentlichen Parteitag am 14. Juni 1987 in der Bonner Beethovenhalle. Auch er wollte nur das vortragen, was ihn bewegte. Niemand schrieb an dem Text mit, den er in seiner winzigen Handschrift feilte.
    Den Delegierten erläuterte er: Indianerhäuptlingen werde von Anfang an nahe gebracht, sie sollten nicht zu lange auf ihrem Häuptlingsstuhl sitzen bleiben, er dagegen sei ja nun «ziemlich lange hocken geblieben», und er habe natürlich nicht allen gerecht werden können – «ich bitte um Nachsicht». Als Vorsitzender habe er den Zusammenhalt der Partei so ernst genommen, «dass bisweilen eine ohnehin vorhandene versöhnliche Neigung obsiegte, wo doch der Durchbruch zu neuer Entscheidung gedrängt hätte». «Aber welcher Durchbruch? Und zu welcher Entscheidung?»
    Brandt: Ohne Selbstüberschätzung aber könnten Sozialdemokraten sagen: «Nie war unsere Partei an der Seite derer, die Krieg anfingen und Knechtschaft über unser Volk brachten. Wir haben vielmehr dafür gearbeitet, dass aus Millionen geschundener Proletarier und unmündiger Frauen selbstbewusste Staatsbürger werden konnten.» Die Zeiten der mündigen Bürger sind nicht vorbei, jedenfalls kommen sie wieder.
    Brandt kam damit zum Kern seiner Botschaft: Wenn er sagen solle, was ihm neben dem Frieden wichtiger sei als alles andere, dann müsse er «ohne Wenn und Aber» gestehen, die Freiheit. Freiheit der vielen, nicht nur für die wenigen; Freiheit des Gewissens und der Meinung. Freiheit von Not und Furcht. Für Freiheit gegen den Obrigkeitsstaat hätten die Altvorderen gekämpft. «Sie, wir haben vor den Nazis und ihren mächtigen Helfern nicht kapituliert.» «Sie, wir haben uns durch die brutale Herausforderung aus dem Osten nicht unterkriegen lassen. So soll es bleiben … im Zweifel für die Freiheit.» Das solle seine «letzte Amtshandlung» als Vorsitzender sein.
    «Wehret den Anfängen!», hatte Schmidt im Wasserwerk die junge Generation gewarnt, wer Gewalt gegen Sachen verteidige, könne irgendwann bei Gewalt gegen Personen landen, er könne das schwer auseinanderhalten. Brandt war wichtiger, daran zu erinnern, dass er und die Freunde als junge Leute vielleicht nicht entschieden genug die Freiheit verteidigt hätten, solange noch Zeit dazu war.
    Auch auf die Kritik an ihm persönlich ging der Redner ein: Wer ihm seine Liberalität ankreide, müsse wissen, dass er ohne sie nicht mehr er selbst gewesen wäre. Er halte nichts von einer «teutonischen Pseudo-Autorität, die durch den Schlag mit der Faust auf den Tisch demonstriert wird». «Den Tisch beeindruckt der Faustschlag wenig. Wen sonst?»
    «Die Zahl der Freunde, von denen ich mich verabschieden kann, nachdem wir miteinander wichtige Stationen passierten, nimmt von Jahr zu Jahr ab. Wer ist noch da aus der Jugendbewegung von vor 33? Wo sind die Kameraden aus dem Exil? Aus der so falsch ‹illegal› genannten Arbeit? Aus den Jahrgängen, die durch Krieg, Kerker, Lager und Zerstörung gingen? Auch die Zahl derer ist klein geworden, mit denen gemeinsam ich mich angestrengt habe, Berlin durch eine Zeit großer Bedrängnis zu bringen.»
    «Der Arbeiterjunge von der Wasserkante, der in Skandinavien politisch in die Lehre ging, den es von
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