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Willkür

Willkür

Titel: Willkür
Autoren: Gary Disher
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zurückgezogen und agierte jetzt als Mittelsmann und Geldkurier bei kriminellen Transaktionen. Niemand kannte die Szene besser als er. Der ideale Kontaktmann. Vor gut einem Jahr hatte Wyatt noch von der Mornington-Halbinsel aus operiert, von seiner abgelegenen Farm, seinem Refugium zwischen zwei Jobs, für die Rossiter Informationen lieferte und Leute vermittelte. Wer auch immer Wyatts Dienste in Anspruch nehmen wollte, wandte sich an Rossiter, der die Anfrage an Wyatt weiterleitete. Es war ein mehr als angenehmes Leben, das sich nachhaltig ändern sollte, als ein von Rachsucht getriebener Loser namens Sugarfoot Younger Rossiter zwang, Wyatts Aufenthaltsort preiszugeben. Zwar war es Wyatt gelungen, die Bedrohung durch Sugarfoot auszuschalten, im Gegenzug musste er jedoch die Farm verlassen. Es gab kein Zurück mehr für ihn und das bedeutete einen der herberen Rückschläge in seinem Leben.
    Doch jetzt musste er noch einmal auf Rossiter zurückgreifen. Allerdings hatte Sugarfoot den alten Gauner seinerzeit schwer misshandelt und es war davon auszugehen, dass Rossiter Wyatt dafür verantwortlich machte. Deshalb wollte der sich zuallererst einen Überblick verschaffen, ein Gefühl für den Ort bekommen, bevor er hineinging. Es war ein Backsteinhaus inmitten kleinerer Weatherboard-Häuser. Von den Türen und Fensterrahmen blätterte der Lack. An einer Seite bot ein Halbdach einem abgewrackten Valiant und einem VW Unterstand. Der Rasen des Vorgartens hätte dringend gemäht werden müssen und vertrocknete Blumen und Gestrüpp hielten die Steine in fester Umklammerung, die den Weg zur Eingangstür markierten. Der Vorgarten wurde durch eine stümperhaft hochgezogene kleine Backsteinmauer von der holperigen Straße abgegrenzt. Das Gartentor war nicht nur verbogen und hing schief in den Angeln, es steckte auch im hohen Gras fest.
    Wyatt nippte an seinem Bier. Vierzig Minuten lang. Er beobachtete, wie ein kleiner grauer Terrier sein Bein an der Mauer hob und ein Spatz das Seine dazu beitrug, dass der zerbröckelnde, schlierige Gips einer Aborigine-Statue in Rossiters Vorgarten nicht ansehnlicher wurde. Ansonsten gab es nichts zu beobachten. Bis ein magerer, bleicher Jugendlicher den Gehweg entlanggestiefelt kam, einen Hund an der Leine. Der Junge war tätowiert und trug die Uniform der ›Action Front‹, enge schwarze Jeans und ein T-Shirt, Doc Martens und einen Bürstenschnitt. Am fliehenden Kinn, den Flatterohren und den unregelmäßigen Gesichtszügen erkannte Wyatt Rossiters Sohn, Niall. Der Pitbull hielt den Kopf gesenkt, schnüffelte ohne Unterlass und je näher sie dem Haus kamen, desto stärker zog er an seiner Leine. Plötzlich blieben Herr und Hund wie angewurzelt stehen. Sie hatten den grauen Terrier entdeckt. Blitzschnell drehte Niall sich um, einen listigen, gemeinen Ausdruck im Gesicht.
    Als er niemanden sah, ließ er den Pitbull von der Leine. Das Gemetzel dauerte kaum fünfzehn Sekunden. Geduckt schoss der kompakte Hund nach vorn. Mit einem Knurren schnappte er sich den Terrier, schüttelte ihn und brach ihm das Genick. Dann schmetterte er den Kleinen abwechselnd gegen die Mauer und die Gehwegplatten, um sich schließlich fallen zu lassen und an dessen Schädel zu nagen. Niall befreite den leblosen Terrier aus dem Maul seines Pitbulls, ging die Straße hinunter und warf ihn einige Häuser weiter in einen Vorgarten.
    Wyatt verfolgte, wie der Junge und sein Hund Rossiters Grundstück betraten. Vorbei an den Autos, brachte Niall den Hund nach hinten. Als der Junge nicht wieder auftauchte, ging Wyatt davon aus, er habe das Haus durch die Hintertür betreten.
    Er war gerade im Begriff, aufzustehen und den Pub zu verlassen, als ein verrosteter und an den Seiten stark verbeulter Kipplaster vorfuhr und ihm die Sicht versperrte. Während Wyatt noch darüber nachdachte, ob Rossiter, der alte Gauner, wohl jetzt einen neuen Job angenommen habe oder in anderen Kreisen verkehre, war ein untersetzter Typ im Overall aus dem Führerhaus geklettert und ging auf Rossiters Nachbargrundstück zu. Zwischen dem Kipplaster und einem alten Hillman am Straßenrand war eine Lücke, so konnte Wyatt den Typ im Overall beobachten. Als der Mann sein Gartentor aufsperren wollte, erschien Niall erneut auf der Bildfläche, eine gespannte Armbrust in den Händen. Haltung und Mimik des Jungen signalisierten, dass er gewillt war, die Armbrust zu benutzen. Die drei anderen im Pub schenkten Wyatt keine Beachtung, also konnte er unbemerkt das
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