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Willkür

Willkür

Titel: Willkür
Autoren: Gary Disher
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    »Verdammt, hab ich dir nicht gesagt, du sollst deine Scheißkarre vor deinem eigenen Haus parken!«, brüllte Niall und bewegte dabei die Armbrust hin und her. Zuerst nahm er die Vorderreifen des Lasters ins Visier, dann den Fahrer.
    »Was soll ich machen, Niall«, jammerte der Mann und deutete auf den Hillman vor seinem Haus. »Das Ding da steht immer hier. Keine Ahnung, wem’s gehört.«
    »Ich hab dir gesagt, park gefälligst nicht vor unserm Haus.«
    Niall stieß den Fahrer mit der Armbrust. »Du parkst hier nirgendwo, klar?« Er trat einen Schritt zurück und wies mit der Hand auf die schäbige Straße. »Meine Güte, dieser Haufen Rost verschandelt die ganze Umgebung. Außerdem nimmt er uns das Licht.«
    Niall drehte sich um und verschwand. Der Mann stieg in sein Fahrzeug und ließ den Motor an. Als der Auspuff Abgaswolken spie, schloss Wyatt das Fenster. Der Nachbar hatte sich Niall gefügt, setzte vor und zurück, fuhr aus der Parklücke und stellte den Laster ein paar Meter weiter ab.
    Wyatt wartete, bis auf der Straße das stille Elend wieder eingekehrt war, und huschte dann hinüber zu Rossiters Haus. Er nahm nicht den Vordereingang, sondern zwängte sich zwischen dem Valiant und dem VW hindurch und gelangte so zu einem Tor, das in den hinteren Hof führte. Eine Insel aus Beton, in ihrer Mitte ein gigantischer Wäscheständer mit Trainingsanzügen, T-Shirts, Overalls und schwarzen Dessous in Übergröße; und ihrem brettharten Zustand nach zu urteilen, hingen die Sachen nicht erst seit kurzem dort. Am Sockel des Wäscheständers lag ein Rad mit Stützrädern auf der Seite.
    Am anderen Ende des Hofes, rechts von einer kläglichen Akazie, war ein kleiner Anbau — vermutlich eine winzige Einliegerwohnung —, an dessen Seitenwand der Pitbull sein Reich hatte, eine Hundehütte, deren Dach übersät war mit kleinen, vertrockneten Akazienblättern. Neben der Hundehütte standen zwei schmierige Fressnäpfe, beide waren leer. Der Pitbull nahm Witterung auf, als Wyatt den Hof betrat. Geduckt, lautlos und schnell kam das Tier auf ihn zu. Die Rückfront des Wohnhauses hatte eine Verkleidung aus sich wölbenden Masonite-Platten. In der Mitte, zwischen zwei mit Jalousien versehenen Fenstern, befand sich eine Fliegengittertür mit einem stabilen Holzgitter. Wyatt schlüpfte ins Haus, riss die Tür hinter sich zu und der Pitbull knallte gegen die geschlossene Tür. Gehindert durch das Holzgitter, versuchte der Hund blindwütig nach Wyatt zu schnappen und verhakte seine Kiefer in dem löchrigen Drahtgewebe. »Entweder man ist schnell oder erledigt«, erklärte ihm Wyatt.

    FÜNF

    Der Gang, in dem er sich befand, war düster, voller Staub und Spinnweben. Ein modriger Geruch hing in der Luft. Auf dem Boden verstreut lagen Spielzeug und irgendwelche Lumpen. Drei Türen. Alle offen. Die Erste führte in ein Badezimmer mit stetig tropfender Dusche, die Zweite in eine Waschküche, die ihre Existenz allein der teuren Waschmaschine zu verdanken schien. An der Schwelle zum dritten Raum blieb Wyatt stehen.
    Eine großzügige Küche. Die Einrichtung nicht minder großzügig und vor allem — teuer: der Tisch, die Einbauschränke, der chromblitzende Kühlschrank, die Gefriertruhe, die Geschirrspülmaschine, die Mikrowelle und der Gasherd.
    Auch der Zuschnitt der beiden Frauen war großzügig. Eileen, Rossiters Frau, war in den Fünfzigern, wirkte jedoch jünger. Ihr rundes Gesicht war faltenlos, sie hatte volle, rote Lippen und in ihrem kurzen Haar zeigte sich nicht eine Spur von Silber. Ihr kräftiger Körper hatte noch feste Konturen. Und was für ein Körper! Unter dem geblümten, lockeren Kleid schienen sich ganze Welten zu verbergen. Nie hatte Wyatt eine Frau gesehen, auf die die Bezeichnung Großmutter weniger gepasst hätte. Ohne mit der Wimper zu zucken, beobachtete sie ihn von ihrem Platz am Ende des Tisches aus.
    Neben ihr saß Leanne, die Tochter des Hauses. Sie hatte bereits mit siebzehn geheiratet und der missmutige Ausdruck in ihrem Gesicht ließ keinen Zweifel zu, dass die Folgen dieser Heirat — die Kinder — sie überforderten. Sie war drall, wenn auch klein und machte einen ordinären Eindruck. Anders als bei ihrer Mutter wirkten die üppigen Formen Leannes krank und wenig ästhetisch. Das schwarze Haar war kurz und an den Seiten ausrasiert, das Tank-Top, das sie trug, zerschlissen und verdreckt. Ein gutes Dutzend silberner Armreifen klimperten an einem ihrer dicken Arme, als
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