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Willkür

Willkür

Titel: Willkür
Autoren: Gary Disher
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Zimmertür überzeugte er sich davon, dass er nicht beobachtet wurde, kniete sich hin und untersuchte die Unterkante der Tür. Beim Verlassen des Zimmers hatte er einen Streifen Tesafilm auf die Tür und den Türrahmen geklebt, doch jetzt haftete der Streifen nur noch an der Tür. Wyatt stand auf, lauschte und tat so, als suche er in seinen Hosentaschen nach dem Schlüssel. Schließlich steckte er den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür.
    Geräuschvoll und scheinbar ahnungslos betrat er das Zimmer und knipste das Licht an. Der Raum war klein und Wyatt sah sofort, dass niemand drinnen war, dennoch stimmte etwas nicht. Er wusste, hier war ein Profi am Werk gewesen, jemand, der keine greifbaren Spuren hinterlässt, allenfalls eine diffuse atmosphärische Veränderung. Möglicherweise waren die Mesics besser organisiert, als ursprünglich angenommen. Möglicherweise hatte jemand anders noch eine alte Rechnung mit ihm zu begleichen. Doch dieses Risiko stellte nun mal eine Konstante in Wyatts Leben dar.
    Er zog sich um: schwarze Jeans, schwarze Kapuzenjacke und schwarze Laufschuhe. Da sie ihn nicht im Zimmer überfallen hatten, war anzunehmen, dass ihr Plan darauf hinauslief, erst den Raum zu inspizieren und sich Wyatt vorzunehmen, wenn auf dem Gelände der Betrieb auf nächtlicher Sparflamme köchelte. Gegen neun Uhr kletterte er aus dem Badezimmerfenster und schlich über den Hof hinüber zum Konferenzsaal. In der Dunkelheit des Parkplatzes wartete er. Gegen zehn Uhr verließen die ersten Vertreter und Manager leicht beschwipst das Gebäude; die Männer schlugen sich zum Abschied auf die Schulter, die Frauen verteilten echte oder nur gehauchte Küsse, je nachdem, ob es sich um ein männliches oder weibliches Gegenüber handelte.
    Wyatt sah sie in ihre Wagen steigen und davonfahren. Bis zuletzt war er sich nicht sicher, ob seine Idee funktionieren würde. Doch als nur noch ein Wagen dastand und der Fahrer schwankend nach seinem Schlüssel kramte, war er bereit.
    Nacheinander versuchte der Mann mehrere Schlüssel und starrte immer wieder entgeistert auf sein Schlüsselbund. Dann gab er auf, legte beide Arme auf das Autodach und ließ seinen kahlen Schädel auf die Arme sinken. Wyatt hörte ein paar erstickte Laute. Der Typ lachte.
    »Tut mir Leid, Kumpel«, murmelte Wyatt und ging auf den Mann zu.
    In diesem Moment sank der Typ zu Boden und fing an zu schnarchen. Gleichmäßig und laut. Wyatt steckte seine Waffe weg. Er nahm dem Mann die Schlüssel aus der zur Faust geballten Hand und schleifte ihn in die Büsche. Für einen Augenblick hörte das Schnarchen auf, um sofort von neuem zu beginnen.
    Wyatt wartete. Das Schnarchen könnte Aufmerksamkeit erregen. Soll das arme Schwein seinen Rausch doch im Auto ausschlafen, dachte er sich. Er schloss die hintere Tür auf, zog den Kahlkopf wieder aus den Büschen und bugsierte ihn auf den Boden zwischen Vordersitz und Rückbank. Dann setzte er sich ans Steuer und ließ den Motor an. Das Schnarchen hinter ihm hatte jetzt einen gewissen Rhythmus.
    Vom Parkplatz aus bog Wyatt in die Whitehorse Road ein. An der Kreuzung Station Street/Whitehorse Road machte er einen U-Turn und fuhr zurück zum Motel. Diesmal steuerte er den Wagen zum Parkplatz der Motelgäste und fand eine Parklücke direkt an der Ausfahrt zur Straße. Er kletterte auf den Rücksitz und platzierte einen Fuß auf den Brustkorb des Kahlkopfes. Sanft verlagerte er sein Gewicht auf diesen Fuß und das Schnarchen hörte auf. Fünf Minuten später setzte es wieder ein und Wyatt verstärkte den Druck erneut.
    Der Fond des Wagens war dunkel und geräumig. Wyatt beobachtete und wartete. Er hatte seine Zimmertür im Visier. Sollten sie auftauchen, würden sie ihn nicht sehen. Der Kahlkopf regte sich und murmelte vor sich hin, wurde aber nicht wach.
    Die Zeit verstrich. Ob schnell oder langsam, diese Frage stellte sich Wyatt nicht. Warten gehörte zu seinem Alltag. Es war unvermeidlich.
    Nicht einer der zahlreichen Wagen, die auf den Parkplatz fuhren oder ihn verließen, kitzelte Wyatts Interesse. Doch dann, vier Minuten nach elf, wurde sein Interesse geweckt. Ein Laser mit getönten Scheiben bog von der Straße ein, ohne Licht und im Schritt-Tempo fuhr er einmal das gesamte Gelände ab, rollte anschließend über den Hof und blieb in unmittelbarer Nähe von Wyatts Zimmer stehen. Wyatt wartete. Einige Minuten lang geschah nichts. Dann eine kaum wahrnehmbare Regung: Die Fahrertür öffnete sich einen Spalt. Wyatt dachte,
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