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Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Titel: Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Frayn
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geben, wenn ich eine brauche.«
    Dr. Wilfred neigte sich ein wenig näher zu ihr und steckte diskret die linke Hand unter ihr Seidentop, dann unter den Bund ihrer Hose. Es war jetzt völlig dunkel. Nur die von den Kerzen beleuchteten Vorderseiten der Leute existierten noch. »Hier?« sagte er.
    »O mein Gott«, sagte sie, »das tut so gut! Und ist so beruhigend! Wenn Sie mir nur die Hand auf den Hintern legen könnten, während ich meine Rede halte! Sie sind wie Dieter, Dr. Wilfred – Sie stärken mein Selbstvertrauen! Wir könnten große Dinge gemeinsam machen! Wir könnten all die wunderbaren Träume, die er für diesen Ort hatte, endlich wahr werden lassen. Er wollte, dass sich die Stiftung über die ganze Welt erstreckte! Südamerika – Indien – Russland! Wir könnten auf jedem Kontinent eine Hausparty veranstalten! Die Zivilisation würde sich in den Blessuren der Welt ausbreiten wie Öl in einem stürmischen Meer!«
    Dr. Wilfred schaute zu den Kerzen, die leicht in der warmen Dunkelheit flackerten, und wusste, dass alles möglich war. Er konnte es. Er konnte den Vortrag halten. Der Rest würde sich von selbst ergeben. Nach dem Vortrag würde Nikki auf ihn warten. Morgen würde Georgie kommen. Er würde einen Weg finden, um Annuka Vos loszuwerden. Nein, er würde auch Annuka Vos für sich gewinnen. Dann würde er Direktor dieses herrlichen Ortes. Er würde die langen Sommertage und die kurzen Sommernächte damit verbringen, Mrs. Topplers Rücken zu massieren und Mrs. Skorbatowa zum Lachen zu bringen.
    Während die Finger seiner Linken noch tief im Fleisch am Ende von Mrs. Topplers Rückgrat vergraben waren, trank er einen weiteren Schluck Wein und legte dann die Rechte auf Mrs. Skorbatowas Handgelenk.
    »Das ist es, was jeder Mann sich wünscht«, sagte er zu ihr. »Für die Dame zur Linken Norman Wilfred zu sein, für die Dame zur Rechten Oliver Fox.«
    Mrs. Skorbatowa ließ ihn gewähren und lachte wieder. Endlich machte sie den Mund auf.
    »Nein!« sagte sie. »Nein, nein, nein, nein, nein, nein!«
    »Nein?« sagte Oliver Fox.
    Sie entzog ihm sanft die Hand, fasste ihn an der Nasenspitze und drehte sie ein wenig hin und her. »Nein!« sagte sie. Sie deutete auf den dicken goldenen Ring am Ringfinger ihrer linken Hand und bewegte den Zeigefinger der Rechten warnend nach rechts und nach links.
    »Nein Focks!« sagte sie.
    Gut, dachte Reg Bolt, der Chef des Sicherheitsdienstes, und sah aus dem Schatten gegenüber dem Tisch in der Mitte zu, wie sich alle endlich wieder auf ihre rechtmäßigen Plätze setzten. Alle waren da. Die Gäste, die Gastgeber. Der Redner. Nikki und Eric. Die Kellner, Leibwächter und persönlichen Sicherheitsberater. Er schaute jedem einzelnen ins matt erleuchtete Gesicht. Der Direktor hatte sich in seinem verdunkelten Haus eingeschlossen, und alle anderen waren hier auf der Agora, bereit für den Vortrag. Die Dunkelheit um ihn wurde tiefer, als ein helles Licht das Rednerpult am Tisch in der Mitte anstrahlte. Vorsichtig zog er sich noch mehr in die Schatten zurück und schlich leise in die Nacht davon.
    Für die nächste Stunde hatten er und die Jungs den Rest der Stiftung für sich. Sie hätten gerade genug Zeit, um den Job zu erledigen. Den großen. Der so groß war, dass auch der gleichgültigste Zuschauer anfangen würde, Fragen zu stellen. Der nur im Dunkeln erledigt werden konnte, wenn alle Augen und Ohren hier waren, auf Dr. Norman Wilfred gerichtet.
    »Okay?« sagte Mrs. Toppler. Dr. Wilfred nickte. Sie erhob sich und rief alle mit dem Hämmerchen aus Olivenholz zur Ordnung. Er wurde sich bewusst, dass die Dunkelheit jenseits des Lichtscheins, in den sie beide getaucht waren, gemildert wurde durch die verschwommene Blässe der Gesichter, die sich ihnen zuwandten. Das beruhigende Rauschen der Gespräche hatte einer unnatürlichen Stille Platz gemacht.
    Mrs. Toppler blickte durch eine zusammenklappbare Lesebrille auf ihren Text.
    »Unser Ehrengast heute abend«, sagte sie, »muss nicht vorgestellt werden …«

47
    Überall jenseits der Agora senkte sich sanfter nächtlicher Frieden auf die Stiftung wie auf eine kleine Stadt, in der alle in ihren Häusern waren und Weihnachten feierten oder Fußball schauten. Die warme Dunkelheit der Nacht wurde noch tiefer durch die silbernen Lichtflecken der Scheinwerfer zwischen den Ästen der Bäume, die Stille noch greifbarer durch das Zirpen der Zikaden und das leise Echo von Mrs. Topplers Stimme, das von den uralten Steinmauern
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