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Wildes Herz

Titel: Wildes Herz
Autoren: Elizabeth Lowell
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senkte den Kopf darauf und schlief ein. Immer nur wenige Minuten, dann lauschte sie wieder den Geräuschen der lebendigen Nacht und dem Atem des Mannes neben sich, der ihr genug vertraute, um nackt und unbewaffnet zu ihren Füßen zu schlafen.

3. Kapitel
    Tyrell MacKenzie erwachte mit dem Gefühl, als wäre eine Herde durchgehender Stiere über ihn hinweggaloppiert. Jeder Pulsschlag jagte stechende Schmerzen durch seinen Kopf. Er unterdrückte das Stöhnen und schrie auch nicht. Seine Instinkte befahlen ihm, ruhig in seinem Versteck liegen zu bleiben. Der Bürgerkrieg hatte ihn gelehrt, diesen Empfindungen zu vertrauen. Er öffnete blinzelnd ein Auge, ohne zu verraten, dass er wieder bei Bewusstsein war.
    Wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt erkannte er ein Paar Mokassins.
    Augenblicklich fluteten die Erinnerungen in sein schmerzgetrübtes Bewusstsein zurück, an Cascabel und seine Abtrünnigen, an das Spießrutenlaufen mit den Knüppelschlägen, die kein Ende zu nehmen schienen. Irgendwie hatte er durchgehalten, und dann war er gerannt, bis er glaubte, die Brust würde ihm zerspringen. Aber er war immer weitergelaufen, nach einem Versteck suchend, wo er sich ausruhen konnte. Die Indianer durften seine Spur nicht finden. Sonst würden sie ihn doch töten.
    Noch ein Erinnerungsbild kehrte zurück. Er sah einen schmächtigen Jungen in zerrissenen Kleidern, der ihn mit ruhigen grauen Augen mahnte, still zu sein. Ty schlug die Lider weiter auf und erkannte, dass die Mokassins offenbar dem Jungen gehörten und nicht einem von Cascabels Mordgesellen. Der Kleine hockte da, den Kopf auf die Knie gelegt und die Hände um die Beine geschlungen, als versuchte er, nach einer langen Nacht im Freien die Morgenkälte abzuwehren.
    Die zwischen hoch aufgetürmten Gewitterwolken einfallenden Sonnenstrahlen wiesen eher auf den frühen Nachmittag hin. Was bedeutete, dass er vierundzwanzig Stunden geschlafen hatte, den ganzen vergangenen Nachmittag, die Nacht und den größten Teil des anschließenden Tages. Erstaunlich, dass die nächtliche Kälte ihn nicht geweckt hatte. Sobald die Sonne hinter dem Black Plateau ver-
    sank, konnte es in diesen Bergen auch im August ziemlich kalt werden.
    Der Junge drehte den Kopf, bis sein Kinn auf den Knien lag. Tys starrer Blick traf auf die klaren grauen Augen, an die er sich erinnerte. Dieser ruhige Ausdruck war ungewöhnlich für einen Jungen, der noch lange warten musste, bis er sich zum ersten Mal rasieren konnte. Andererseits hatte Ty erlebt, was der Krieg mit Kindern machte. Die, die überlebten, waren ihrem Alter weit voraus.
    Der Bursche hob den Zeigefinger an die Lippen und gab ihm zu verstehen, leise zu sein. Ty nickte und verfolgte, wie der Junge geräuschlos wie ein Indianer durch das Unterholz glitt. Die Wunden und Prellungen überall schmerzten ihn, doch er veränderte seine Lage nicht. Auch das hatte er im Krieg gelernt. Wer sich zuerst rührte, starb zuerst.
    Ty wartete auf die Rückkehr des Jungen. Dabei bemerkte er die Decke, die zum Schutz vor der Kälte über ihn gebreitet war. Ein Blick auf die Kante, die seinen Arm bedeckte, zeigte ihm, dass die Decke alt und abgenutzt war wie die Kleidung des Jungen. Es musste seine Decke sein. Offensichtlich hatte der Kleine die ganze kalte Nacht und einen Tag lang bei einem hilflosen Fremden gewacht und ihm auch noch die einzige Decke überlassen.
    Ein Teufelsjunge, dachte Ty. Was mochte er hier draußen tun?
    Mit diesem Gedanken sank er in einen schmerzerfüllten, unruhigen Schlaf.
    Janna kehrte zurück. Er döste noch immer. Lautlos wie beim ersten Mal schlich sie sich an. Trotzdem schlug er die Augen auf. Wie ein wildes Tier hatte er gespürt, dass er nicht mehr allein war.
    „Bewegen können Sie sich wieder, aber wir müssen noch hier bleiben“, sagte sie leise. „Cascabel und seine Männer suchen weiterhin nach Ihnen, doch sie sind an der Ostseite des Plateaus.“
    „Dann pass auf, dass du hier rauskommst, solange du noch kannst“, murmelte Ty heiser. Vorsichtig veränderte er seine Lage, streckte sich und verzog das Gesicht zu einer schmerzerfüllten Grimasse. Bevor die Flucht weiterging, musste er herausfinden, wozu sein Körper noch taugte. Er würde schnell rennen müssen, wenn Cascabel weiter nach ihm suchte. „Meiner Spur könnte ein Blinder folgen.“
    „Ich weiß“, sagte Janna leise. „Ich habe sie verwischt, als ich Ihnen nachging.“
    „Wird wenig nützen.“ Tys Stimme war ein dunkles Stöhnen. Er
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