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Wildes Herz

Titel: Wildes Herz
Autoren: Elizabeth Lowell
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Indianern oder ebenso feindseligen Banditen leicht entdeckt wurden, verschmolzen Zebrabraune mit der Landschaft.
    „Hallo, Zebra“, sagte Janna lächelnd und strich der graubraunen Stute über das samtige Maul. „Hast du Lust zu rennen? Heute ist es nicht weit. Nur ein paar Kilometer.“
    Zebra rieb ihr Maul an Janna, mit einer Kraft, die ausgereicht hätte, sie umzustoßen. Sie griff in die Mähne und schwang sich auf den Rücken des Tieres. Ein leichter Fersendruck, und die Stute fiel in einen raschen Trab, der bald zum Galopp wurde. Nur von Jannas Stimme, ihren Händen und Fersen gelenkt, eilte die Stute auf gewundenen Wegen über die Hochfläche. Dann bog sie in einen halsbrecherisch steilen Pfad, den die Präriepferde benutzten, wenn sie über die Nordflanke vom Plateau in die Ebene wechselten.
    Diese Route gehörte zu den schwierigsten Wegen ins Tal. Aus diesem Grund wählte Janna den Pfad. Ihres Wissens hatte keiner von Cascabels Kriegern ihn je benutzt. Die Indianer nahmen einen der beiden westlichen Pfade oder kamen über die Südseite auf das Black Plateau. Den nördlichen und östlichen Teil mieden sie. Das passte ihr sehr gut. Eine schmale Schlucht, die sich zur Ostgrenze der Hochfläche hin öffnete, war ihr Zufluchtsort. Dieses Tal war alles, was sie, soweit sie zurückdenken konnte, als Zuhause kennen gelernt hatte.
    Zwanzig Minuten nachdem Zebra den steilen Pfad zurück zum Mustang Canyon betreten hatte, waren sie nahe genug an das Versteck des Fremden herangekommen.
    „Wunderbar, Zebra. Das war’s, Mädchen. Hier will ich absteigen.“
    Zögernd wurde Zebra langsamer. Janna sprang ab und gab der Stute einen freundschaftlichen Klaps auf die graubraune Hinterhand.
    Die Stute rührte sich nicht.
    „Los“, sagte Janna und versetzte Zebra noch einen Klaps. „Heute habe ich keine Zeit zum Spielen. Nächstes Mal, das verspreche ich.“
    Jäh reckte die Stute den Kopf. Ihre Nüstern bebten. Reglos verharrend, sog sie die Witterung ein und blickte starr geradeaus. Janna brauchte keine weitere Warnung. Sie verschwand hinter Felsen und Buschwerk. Zebra blieb einige Augenblicke stehen, dann lief sie ruhig zurück. Innerhalb von Minuten war die gestreifte Stute mit der Landschaft verschmolzen.
    Getarnt durch ihre erdfarbene Kleidung und den graubraunen Hut, näherte sich Janna rasch und lautlos dem Versteck des Fremden, wieder alle Spuren verwischend. Als sie den Felssturz überwand, ging ihr erster Blick zu den zwergwüchsigen Pinonkiefern.
    Der Fremde war fort.
    Janna rannte zu der Stelle, wo er gelegen hatte, dann kroch sie unter die Zwergkiefern. Am Boden war frisches Blut, und es gab Anzeichen, dass der Verletzte sich tiefer in die Deckung zurückgeschleppt hatte. Sie folgte der Spur und zerstörte sie mit zerkrümelter Erde, die sie unter den Kiefern gesammelt hatte. In einem dichten Gebüsch, das bis an eine Felswand reichte, fand sie den Verletzten. Auf dem Felsen prangten blutige Fingerspuren. Offenbar hatte er versucht, nach oben zu klettern - ohne Erfolg. Er lag mit dem Gesicht zur Erde an der Stelle, wo er abgestürzt sein musste. Seine Hand griff noch immer zum Fels, als würde er jeden Moment aufwachen und den Aufstieg noch einmal versuchen.
    „Pobrecito“, murmelte Janna und kniete sich neben den Verletzten, seinen Arm berührend. Armer Kleiner.
    Die festen Muskeln unter ihren Fingern erinnerten sie, dass der Fremde kein kleiner Junge war. Er hatte einen Überlebenswillen gezeigt, der alle Vernunft und Hoffnung überstieg und ihr Angst machte. Vielleicht ähnelte er Cascabel. Der Indianer war berühmt für
    seine Fähigkeit, Schmerzen zu ertragen - und für seine Grausamkeit.
    War dieser Mann auch grausam? Leiteten ihn sein schlauer Instinkt und kalte Berechnung, oder lebte er noch, weil er eine überragende Intelligenz, besonderen Mut und eine außergewöhnliche Entschlossenheit besaß?
    Aus dem Tal klangen Rufe zu ihr. Die Abtrünnigen verständigten sich auf der Suche nach dem Mann, der das Spießrutenlaufen überlebt hatte und geflohen war, um sich dann wie ein Schamane in Luft aufzulösen. Janna ließ ihr Bündel vom Rücken gleiten, löste die Lederschnüre und breitete die Armeedecke über den Fremden. Im nächsten Moment nahm sie sie wieder weg. Die saubere Decke fiel zu sehr auf. Solange die Gefahr bestand, dass Cascabel das Versteck entdeckte, war der Verletzte besser durch seine natürliche Tarnung aus Dreck und angetrocknetem Blut geschützt.
    Langsam und lautlos veränderte
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