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Wilder als Hass, süsser als Liebe

Wilder als Hass, süsser als Liebe

Titel: Wilder als Hass, süsser als Liebe
Autoren: Mary Jo Putney
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betonend, hinzu: »Und gerade weil ich in Buchara war, denke ich, daß die Situation hoffnungslos ist. Der Emir ist ein launenhafter Mensch, der meint, die Wüste würde ihn vor jeder Vergeltung beschützen. Er würde keinen Moment zögern, die Hinrichtung eines unbequemen oder ärgerlichen Europäers zu befehlen.«
    Er konnte den Moment förmlich spüren, in dem ihre Trauer in Aufregung umschlug. »Ross, du bist einer der wenigen Engländer, die selbst in Buchara gewesen sind«, sagte sie eifrig. »Wirst du dorthin reisen, um herauszufinden, was mit lan geschehen ist?
    Wenn er lebt, kannst du um seine Freilassung bitten. Und wenn nicht…« Sie
    stöhnte qualvoll. »Es ist besser, Sicherheit zu haben, als den Rest des Lebens im Ungewissen bleiben zu müssen.«
    Jean Cameron war also doch nicht ganz so überzeugt davon, daß lan noch lebte, wie sie vorgab. Ross empfand tiefes Mitleid für sie, aber das änderte nichts an den Tatsachen. Er hatte zu viele Todesfälle zur Kenntnis nehmen müssen, um noch an Wunder zu glauben.
    »Es tut mir leid, aber ich muß nach England zurückkehren.
    Nachdem mein Bruder tot ist, werde ich dort gebraucht. Da ich soeben meine Pläne verworfen habe, nach Arabien zu reisen, kann ich mich jetzt kaum nach Buchara davonmachen. Es wäre etwas anderes, wenn eine solche Reise wirklich einen Zweck hätte, so aber sieht es, nicht aus. Auf die eine oder andere Art hat sich lans Schicksal bestimmt schon vor einer ganzen Weile erfüllt.«
    »Aber es hat einen Zweck«, argumentierte sie stur. »Und nicht nur für mich. lan ist mit einem englischen Mädchen verlobt. Was denkst du wohl, wie sie diese Ungewißheit empfinden muß?«
    Bis zu diesem Moment hatte Ross seine Haltung bewahren können, doch ihre Worte trafen ihn tief. »Ich bin sicher, sie fühlt sich, als würde sie in der Hölle schmoren«, gab er rauh zu.
    »Niemand kann das besser als ich nachempfinden. Aber die Verpflichtungen meiner Familie gegenüber gehen vor.«
    Ihr Gesicht verfärbte sich, aber sie wollte noch nicht aufgeben.
    »Bitte, Ross«, flehte sie leise. »Ich könnte noch einen weiteren Verlust eines meiner Kinder nicht ertragen.«
    Die Intensität ihrer Bitte erinnerte ihn einen Moment auf qualvolle Weise an Juliet. Ross wirbelte herum und schritt wütend durch den Raum. Zehn Schritte hin, zehn zurück. Die ganzen Jahre über hatte er seine gescheiterte Ehe mit vielen Empfindungen betrachtet: mit Zorn, Kummer und endlosen verzehrenden Fragen, warum Juliet ihn verlassen hatte. Und unvermeidlich war das Schuldgefühl gekommen, als er sich gefragt hatte, welches namenlose Verbrechen er wohl begangen hatte, das seine junge Frau dazu gebracht hatte, zu fliehen und sich in irgendeinem fernen Land zu vergraben. Ohne ihre Ehe hätte Juliet niemals das Bedürfnis verspürt, ihre Unabhängigkeit auf eine solch unwiederbringliche Art zu demonstrieren.
    Er hatte mit seiner Schwiegermutter diesen Punkt niemals besprochen, aber er war überzeugt, daß sie wußte, wieviel Schuld er sich selbst an dem gab, was geschehen war. Und nun benutzte Jean dieses Wissen, um ihn in eine gefährliche, nutzlose Mission zu drängen.
    Er hielt an und starrte aus dem Fenster, vor dem die schrägen Strahlen der tiefstehenden Sonne eine exotische Szene von Kuppeln und Minaretten beleuchteten. Aufmerksam musterte er die Fensterkonstruktion, um sich Zeit zu geben, seine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bekommen. Anders als in türkischen Häusern hatte dieses Fenster Glasscheiben, um die kalte Winterluft draußen zu halten. Mit nur wenigen Zentimetern Abstand davon war ein Gitter sowohl zum Schmuck als auch zum Schutz befestigt, falls der Mob sich jemals dazu entschließen sollte, seinen Zorn auf die Ungläubigen zu richten.
    Das zerbrechliche, importierte Glas war ein passendes Symbol der Präsenz Englands in Asien. Hier konnte ein Fremder auf tausenderlei Art sterben: durch Krankheit, durch die grausame Hitze, Kälte oder vor Durst, durch die Hände von Räubern oder durch den wütenden Mob. ROSS hatte dieses Wissen immer verdrängt, doch nun schuldete er es seinen Eltern, etwas mehr darauf zu achten, daß er am Leben blieb.
    Als sein Ärger verblaßte, zog er scharf die Luft ein. Eigentlich hatte er nur wenig Lust, so bald schon nach England zurückzukehren. Und so sehr er sich auch bemü-
    hen würde, seinen Verpflichtungen der Familie gegenüber nachzukommen, so würde er schließlich doch scheitern, und alles nur, weil er im Alter von einundzwanzig
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