Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wilder Als Ein Traum

Titel: Wilder Als Ein Traum
Autoren: Teresa Medeiros
Vom Netzwerk:
lassen. Du liegst einfach im Koma. Oder hast eine dieser so genannten Grenzerfahrungen, bei denen die Seele kurzzeitig den Körper verlässt.«
    Zwischen ein paar Kleeblättern machte sie ihre Brille aus. Als sie jedoch die Hand danach ausstreckte, wurde sie von Lucy abgelenkt, die hinter einem gelben Schmetterling über die Wiese hüpfte.
    Kätzchen im Himmel? Eine durchaus liebreizende Vorstellung, aber während Tabitha die ländliche Idylle betrachtete, kam ihr ein wesentlich unerfreulicherer Verdacht. Was, wenn dies nichts weiter war als der ausgeklügelte Plan ihrer
Eltern, sie zu dem Urlaub zu zwingen, den zu nehmen sie sich seit Jahren weigerte? Was, wenn sie das alles sorgsam arrangiert hatten - den angeblichen Flugzeugabsturz, Onkel Cops Auftritt als trauernder Freund der Familie, den zu Herzen gehenden Videofilm, auf dem ihre Mutter zu ihr sprach? Das wäre eine Erklärung dafür, dass das geheimnisvolle »Amulett« eine Technologie enthielt, die in der Zeit seiner angeblichen Erschaffung undenkbar gewesen war.
    Tabitha öffnete ihre steife Faust und merkte, dass sie die Kette immer noch umklammert hielt. Das Licht der Sonne fiel auf den Smaragd und teilte ihn in zahlreiche schimmernde Fragmente auf. Es war, als blinzele der Edelstein ihr übermütig zu.
    Es wäre nicht das erste Mal, dass ihre Mutter versuchte, sie durch Magie zu manipulieren. Natürlich nur zu ihrem Besten, wie sie beispielsweise damals, als Tabitha sieben Jahre alt gewesen war, Brent Vondervan mit einem Liebesbann belegt hatte. Der arme, ihr ergebene Junge war Tabitha wie ein kleiner Hund gefolgt und hatte sie derart angebetet, dass ihr jeder Respekt und jede Zuneigung verloren gegangen waren. Ihre eigene Mutter hatte offenbar geglaubt, dass sie das Herz eines Jungen nur mit übernatürlicher Kraft zu gewinnen vermochte. Die Scham darüber hatte sie noch jahrelang geschmerzt.
    Tabithas Zorn verstärkte sich. Ja, gerade in diesem Augenblick saßen ihre Eltern und Onkel Cop bestimmt zusammen im Turm, tranken ein Glas Champagner auf ihre Gerissenheit und lachten Tränen über sie! Doch gerade, als sie das angebliche Erbstück fortwerfen wollte, hielt ein letzter Zweifel sie zurück. Was, wenn es ihr einziges Medium zurück in ihre nette Penthousewohnung war?
    Kochend vor Ärger legte sie die Kette um und rappelte
sich mühsam auf. »Mut-ter!«, brüllte sie und blickte gen Himmel. »Ich finde das alles nicht im Geringsten witzig!«
    Lucy hielt in der Verfolgung einer Grille inne und blinzelte herüber. Erst in diesem Augenblick wurde Tabitha klar, dass sie mit nichts als einer alten Kette, einem Flanellpyjama und ihren Streifenhörnchenpantoffeln bekleidet mitten auf einer Wiese stand.
    »Eine einfache Buchung eines Urlaubs im Club Med hätte es wohl nicht getan?«, murmelte sie.
    Sie stopfte ihre Brille in die Hemdtasche ihres Schlafanzuges und versuchte herauszufinden, welche Richtung sie am besten einschlüge. Ihre Eltern überließen nie etwas dem Zufall; sicherlich hatte es eine Bedeutung, dass die Wiese an einen Wald grenzte, der identisch mit denen aus all den idiotischen Märchen war, die ihre Mutter der kleinen Tochter immer erzählt hatte.
    Die Bäume waren höher als alle, die Tabitha je gesehen hatte, und ihre Stämme hatten einen ähnlichen Durchmesser wie kalifornische Redwoods. Strahlen hellen Sonnenlichts fielen durch das Blätterdach und tauchten den Waldboden in ein majestätisch weiches Licht. Pollen schwebten durch die Luft wie Feenstaub; aber Tabitha war zu aufgebracht, um von ihrem Blinken angetan zu sein. Nur ihre Mutter konnte sich eine so idyllische Umgebung ausdenken. Es hätte sie nicht im Geringsten überrascht, wären plötzlich Bambi und Klopfer vor ihr aufgetaucht, gefolgt von einem heiter trällernden Schneewittchen: »Eines Tages kommt mein Prinz…«
    »Oh, nein«, wisperte Tabitha, als ihr eine grauenhafte, neue Möglichkeit einfiel. Es gab nur eine Sache, die ihre hoffnungslos altmodische Mama ihr noch mehr wünschte als Ferien.

    Einen Mann.
    Trotz zahlreicher scharfsinniger Argumente hatte sie Arian nie davon zu überzeugen vermocht, dass eine moderne Frau heutzutage keinen Mann mehr brauchte, um glücklich und erfüllt zu sein. Vielleicht hatte sie irgendwo in einem Winkel ihres Herzens auch sich selbst nicht gänzlich überzeugt.
    Tabitha starrte wütend Richtung Wald. Schneewittchen wäre entschieden weniger gefährlich als ihr Traumprinz. Falls dies ein weiterer unglückseliger Versuch ihrer Mutter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher