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Wilder Als Ein Traum

Titel: Wilder Als Ein Traum
Autoren: Teresa Medeiros
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das fleckige Fundstück in die Hand. Auch wenn das feine Metall durch die Feuchtigkeit korrodiert war, wies der Smaragd in der antiken Fassung erstaunlich wenig Spuren der jahrelangen Versenkung auf. Tabitha fuhr zusammen. Bildete sie es sich nur ein oder hatte ihr der schimmernde Stein tatsächlich zugezwinkert?
    »Du hast sonst doch auch nichts mit Übersinnlichem am Hut«, erinnerte sie sich, obgleich es nach einem Tag wie diesem kein Wunder wäre, sähe sie plötzlich rosa Elefanten vor sich.
    In der Hoffnung, dass sie sich vielleicht besser fühlen würde, trüge sie etwas von ihrer Mutter an ihrem Herzen, legte sie sich die Kette langsam um. Dann jedoch zögerte sie. Hatte Arian die Kette nicht Amulett, Talisman, magischen Glücksbringer genannt?
    Sollte sie sich etwas wünschen? Falls ja, was? Freiheit von der Versuchung, sich je mehr etwas zu wünschen? Das schrille Kichern, das bei dieser Überlegung über ihre Lippen drang, warnte sie vor einem gefährlich nahen Zusammenbruch.
    Entschlossen, sich endlich wieder wie eine vernünftige Wissenschaftlerin zu benehmen statt wie eine Irre, marschierte Tabitha ins Wohnzimmer, um ihren Computer zu aktivieren und den kleinen Monitor. Dank der Wunder moderner
Technologie bräuchte sie nicht bis zum nächsten Tag zu warten, um sich zu beweisen, dass der Smaragd nichts war als ein hübscher Stein.
    Ihr Modem verband sie mit dem Computer-Netzwerk der Lennoxschen Labors, und sie legte die Kette auf den Analyse-Block. Ihre Finger flogen über die Tasten und befahlen der ausgeklügelten Software, die strukturelle Zusammensetzung des Smaragdes zu ergründen. Lucy sprang auf ihren Schoß und spielte mit der weißen Plastikmaus, die den blinkenden Cursor kontrollierte. Tabitha bezweifelte, dass das Kätzchen wüsste, was es mit einer echten Maus anfangen sollte.
    Das Bild der Kette tauchte auf dem Monitor auf, und jedes Segment wurde in farblich kodierte Querschnitte unterteilt. Tabitha beugte sich so weit nach vorn, dass sie beinahe mit der Nase gegen das Gerät stieß, als sie den wundersamen Smaragd genauer betrachtete.
    »Vergrößern«, krächzte sie.
    Der Computer kam ihrer Bitte nach und vergrößerte den Stein. Tabitha setzte ihre Brille ab, rieb sich die müden Augen und setzte die Brille wieder auf. Trotzdem zeigte der Monitor immer noch ein wahrhaft verblüffendes Bild.
    Der Smaragd enthielt ein wirres Labyrinth von mikrominiaturisierten Schaltungen, verglichen mit heutigen Standards ungemein komplex, und gemessen an der groben Technologie von vor beinahe fünfundzwanzig Jahren ein Ding völliger Unmöglichkeit. Ihre Mutter hatte nicht im Geringsten übertrieben. Dies war wahrhaftige Magie und für Tabithas methodisch arbeitendes Hirn ein wesentlich profunderes Wunder als fehlgeschlagene Wünsche oder verschütterter Feenstaub. Das wundersame Netz aus Drähten und Knotenpunkten war die reinste Zauberei, erdacht und ausgeführt von einem mehr als einfallsreichen Intellekt. Auf der
ganzen Welt kannte Tabitha nur einen Mann, dem eine solche Brillanz zuzutrauen war.
    »Daddy?« flüsterte sie verblüfft.
    Sie berührte den Bildschirm mit den Fingerspitzen, als könnte sie dadurch ihrem unsichtbaren Vater näher sein. Aber das kalte Glas erinnerte sie lediglich daran, dass sie keine Ahnung hatte, wo ihr Vater und ob er überhaupt noch am Leben war.
    Seufzend lehnte sie sich auf ihrem Stuhl zurück. Ihr eigenes Hirn war ebenfalls nicht gerade faul, und sicher gelänge ihr auch ohne Hilfe ihres Daddys die Lösung des Rätsels um den wundersamen Stein. Dank der ausgefeilten Scanning-Programme der Virtual-Reality-Abteilung der Lennoxschen Laboratorien war das tatsächliche Zerlegen des Gegenstandes nicht erforderlich. Sie bräuchte einfach immer wieder zu vergrößern, bis sie jeden Knotenpunkt des winzigen Mikroprozessors katalogisiert und studiert hätte.
    Sie blinzelte, ehe sie die 1 auf dem numerischen Keypad drückte und sich die Größe des Bildes verdoppelte.
    Über ihrem Kopf wurde ein seltsames Brummen laut. Tabitha blickte kurz zum Fenster. Donner? Nie zuvor hatte sie im Januar in New York, und erst recht nicht während eines Schneesturms, ein Gewitter miterlebt.
    Nun beschloss sie, das Bild noch weiter zu vergrößern, drückte auf die 2 und vervierfachte das Originalformat.
    Im Zimmer wurde es ungewöhnlich warm. Ohne den Blick vom Monitor abzuwenden, machte sich Tabitha im Geiste die Notiz, am nächsten Morgen dem Hausmeister zu melden, dass die Zentralheizung
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