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Wilder Als Ein Traum

Titel: Wilder Als Ein Traum
Autoren: Teresa Medeiros
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Prolog
    Tabitha Lennox hasste es, eine Hexe zu sein. Das Einzige, was sie noch mehr hasste, war, eine reiche Hexe zu sein. Aber sie hatte wenig oder besser gar nichts zu sagen in dieser Angelegenheit, da sie die einzige Erbin sowohl des Multimilliarden-Dollarimperiums ihres Vaters als auch der unvorhersehbaren übernatürlichen Talente ihrer Mutter war.
    Ihre Mama hatte sie mit dem ihrer Meinung nach soliden, puritanischen Namen Tabitha bedacht, und ihr Daddy hatte sich wortlos einverstanden erklärt; doch der Grund für seine Zustimmung war erst ersichtlich geworden, als ihrer Mutter während eines Verhext -Marathons seinerzeit im Fernsehen ein erstickter Schrei entfuhr.
    »Hast du gewusst, dass dieses freche Gör Tabitha heißt?« hatte sie in Bezug auf Darrin und Samantha Stevenses altkluges Töchterchen gefragt.
    Ihr Daddy hatte sein Wall Street Journal sinken lassen, über den Rand seiner Lesebrille gesehen und entwaffnend unschuldig mit seinen grauen Augen geblinzelt. »Tut mir Leid, Liebling. Muss mir irgendwie entgangen sein.«
    Doch die Spur eines Grinsens hatte ihn verraten, und so hatte sich Tabithas Mama mit einem der weichen Sofakissen auf ihn gestürzt und mit ihm gebalgt, bis sie kichernd neben ihm auf der Ottomane zusammensank.
    »Du kannst mir deshalb wirklich keine Vorwürfe machen«, hatte ihr Daddy gelacht und ihre Mama gekitzelt, bis
sie sich ergab. »Schließlich hattest du als zweiten Namen Chastity , also Keuschheit, ausgesucht.«
    Als ihr spielerisches Gefecht in einen zärtlichen Kuss übergegangen war, hatte die siebenjährige Tabitha die Augen verdreht, sich nach einem kurzen Blick in Richtung des auf dem Ofen schlummernden schwarzen Katers wieder ihrem Laptop zugewandt und sich gefragt, weshalb ihre Eltern nicht per E-mail oder über ihre Anwälte miteinander kommunizieren konnten wie die Eltern aller anderen Kinder der Montessori-Schule, in die sie ging.
    Von klein auf hatte sich Tabitha, so wie andere Kinder nach Spielsachen oder Süßwaren, schmerzlich nach der beruhigenden Langeweile eines normalen Alltags gesehnt. Obgleich ihre Eltern mit ihrer im ländlichen Connecticut gelegenen viktorianischen Villa überzeugend Normalität zur Schau stellten, unterschied sich Tabitha durch wesentlich mehr als den Reichtum ihres Vaters von ihren Klassenkameraden und Kameradinnen.
    Auch von ihnen wurden einige in mit Rauchglas versehenen Limousinen zur Schule gebracht oder feierten ihre Geburtstage im Vier-Jahreszeiten-Hotel; aber keiner von ihnen kam jemals von der Schule und fand zu Hause den Kater vor, der gerade einigen faszinierten Topfpflanzen oder einem Trio andächtig lauschender Elfen ein Shakespeare-Gedicht vorlas. Auch backte Tabithas Mama nicht einfach gewöhnliche Plätzchen wie die Mütter der anderen. Ihre tanzenden Küchlein hatten die nervtötende Angewohnheit, Tabitha in den Mund zu hüpfen, sobald sie ihn wutschnaubend öffnete. Oder aber das Kind kam stolz mit ihren fertigen Schularbeiten ins Wohnzimmer, wo sie regelmäßig am Abend vor dem Abgabetermin davonschwebten.
    Dann half ihr Vater ihr in aller Eile bei der erneuten Lösung
der Rechenaufgaben, während ihre Mutter französische Verben konjugierte und sich dafür entschuldigte, dass ihr magisches Talent abermals außer Kontrolle geraten war. Obgleich es ihr aufrichtig Leid tat, ihre Tochter unglücklich zu sehen, konnte ihre Mama doch nie ganz verbergen, wie stolz sie auf ihr ungewöhnliches Talent war.
    Tabitha betrachtete dieses Erbe jedoch nicht als Geschenk, sondern als Fluch. Was erklärte, weshalb sie an ihrem dreizehnten Geburtstag, als der beiläufige Wunsch nach purpurfarbener Glasur auf ihrer Torte ihr einen leuchtenden roten Zuckerregen bescherte, statt überrascht einzig wütend gewesen war.
    Mit verklebten Haaren war sie die Treppe hinaufgeflüchtet, hatte sich auf ihr Bett geworfen und sich die Seele aus dem Leib geheult.
    Ihre Eltern waren ihr gefolgt, hatten sich zu beiden Seiten neben sie gesetzt und hilflose Blicke ausgetauscht. Ihr Daddy hatte ihr die bebende Schulter getätschelt, Mama ihr die klebrigen Haare aus der Stirn gestrichen und gemurmelt: »Weine nicht, meine Kleine. Du musst deine Talente als Geschenk Gottes ansehen. Irgendwann gewöhnst du dich bestimmt daran, etwas Besonderes zu sein.«
    Tabitha hatte zitternd eingeatmet und gejammert: »Ihr versteht mich einfach nicht! Ich will nichts Besonderes sein! Ich will normal sein wie die anderen!« Sie hatte das Gesicht in ihre verhasste
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