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Wilder Als Ein Traum

Titel: Wilder Als Ein Traum
Autoren: Teresa Medeiros
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beherrschen, meine Liebe.« Ihre Mutter hob zwei Finger an ihre Lippen und hauchte einen sehnsüchtigen Kuss in Richtung Kamera. »Egal, was die Zukunft für dich bereithält, sollst du wissen, dass du mich bereits sehr stolz gemacht hast, mein Herz. Auf Wiedersehen.«
    Das Bild erstarrte.
    Tabitha sank in ihrem Sessel zurück, wobei sie Lucy, ohne es zu merken, mit einem stählernen Griff umklammerte. Das Kätzchen miaute protestierend.
    Auf Wiedersehen, hatte Arian gesagt. Nicht Lebewohl, sondern auf Wiedersehen.
    Dieser Gruß bot Tabitha keinen sonderlichen Trost. Ihre Eltern hatten sie gebeten, sie in den Urlaub in die Karibik zu begleiten; doch wie immer hatte sie zu viel Arbeit vorgeschoben. Wäre sie der Einladung gefolgt, hätte sie mit ihnen in dem Jet gesessen …

    Allmächtiger, was, wenn sie wirklich verschwunden waren? Ihre charmante, liebreizende Mama? Ihr geliebter Daddy - der Mann, dem sie immer voller Anbetung und Heldenverehrung begegnet war?
    Mit Tränen in den Augen, die sie nicht länger auf Überanstrengung schieben konnte, streckte Tabitha eine Hand nach dem Bild ihrer Mutter aus. »Oh, Mom«, wisperte sie erstickt. »Ich wünschte …«
    Das Wort erstarb ihr in der Kehle, und die alte Bitterkeit stieg wieder hoch. Sie durfte sich niemals etwas wünschen. Wünschen war ihr streng verboten. Denn weder Geld noch aller Zauber konnten sie vor den katastrophalen Folgen ihrer Wünsche schützen.
    Also Schluss jetzt. Da sie vergessen hatte, die Stereoanlage auszustellen, wehten, als das Bild ihrer Mutter im Dunkel verschwand, die nostalgischen Klänge von Nina Simones »Wild Is The Wind« durch den Raum.

2
    Tabitha fand einfach keinen Schlaf. Beinahe drei Stunden wälzte sie sich auf ihrem Laura-Ashley-Laken hin und her, und hoffte, ihre Eltern würden herzlich über ihre Ängste lachen, kämen sie aus der Karibik nach Connecticut zurück. Am besten dächte sie, um sich abzulenken, über die Rede ihrer Mutter von Hexenmeistern und magischen Amuletten nach. Immer wieder tauchten drei Worte aus dem unzusammenhängenden Geplapper in ihrem inneren Ohr auf.
    Kontrolle. Beherrschung. Konzentration. Unwiderstehliche Begriffe für eine Person, die ihr Leben damit verbracht
hatte, sich zu fühlen wie der Gegenstand irgendeines schlechten, kosmischen Scherzes.
    Die Digitaluhr auf ihrem Nachttisch zeigte zwei Minuten nach drei, als sie sich schließlich stöhnend ihre Niederlage eingestand und die Decke von sich warf.
    Das Kätzchen, das zu ihren Füßen lag, jaulte empört auf. »Keine Sorge, Lucy«, wisperte Tabitha, während sie nach ihrer Brille griff. »Die Hexenstunde ist vorbei.« Ganz offensichtlich war sie vor lauter Müdigkeit vollkommen überdreht.
    Sie zog ihre Pantoffeln an, schlurfte ins Bad und starrte entgeistert auf ihr Spiegelbild. Mit dem zerzausten Haar und der Crememaske sah sie wie eine wilde Irre aus. Nach der Gesichtswäsche schaute sie sich in dem eleganten Bad mit den Augen ihrer Mutter um. Arian hatte vehement dagegen protestiert, als Tabitha eine Renovierung zur Sprache brachte. Vielleicht hatte sie dabei ja nicht nur sentimentale Gründe gehabt? Schließlich behauptete sie, sie hätte in diesem Raum vor über vierundzwanzig Jahren einen Gegenstand versteckt.
    Mit dem Gefühl, als mache sie sich völlig lächerlich, ging Tabitha auf die Knie und sah unter dem Handtuchwärmer nach. Nichts. Zwar kam sie sich inzwischen noch lächerlicher vor, hob aber trotzdem den Porzellandeckel und spähte in den Wasserbehälter der Toilette. Es wäre sehr bezeichnend, wenn sie das Familienerbstück darin fände. Doch abgesehen vom Wasser war der Behälter leer.
    Während Tabitha weiter ihre Blicke schweifen ließ, erinnerte sie sich schmerzlich daran, weshalb sie ihn so verzweifelt hatte umdekorieren wollen, als sie eingezogen war. Mit seinem im Boden versenkten Whirlpool und den kuscheligen Handtüchern war er eindeutig für sinnliche Freuden angelegt. Die beiden nebeneinander stehenden Waschbecken wiesen penetrant auf all die kleinen, aber bedeutsamen Intimitäten
hin, die sie niemals mit einem Menschen teilen würde. Und ganz bestimmt brauchte sie keine zwei Duschköpfe, vor allem, wenn aus einem der beiden bereits seit einer Ewigkeit kein Wasser mehr kam.
    Tabitha wurde starr. Instinktiv öffnete sie die Milchglastür der Kabine, schraubte den verstopften Duschkopf auf und rang verblüfft nach Luft, als ihr eine Kette zwischen die wartenden Finger fiel.
    »Himmel«, flüsterte sie.
    Sie nahm
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