Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wilder Als Ein Traum

Titel: Wilder Als Ein Traum
Autoren: Teresa Medeiros
Vom Netzwerk:
nicht richtig funktionierte.
    Vielleicht sollte sie den Stein noch mehr vergrößern, dachte sie und drückte ohne zu zögern auf die 5.
    Plötzlich knisterte Lucys Fell. Hätte Tabitha in diesem
Moment auf den Smaragd gesehen, hätte sie bemerkt, dass er von innen leuchtete.
    Ohne auf das verängstigte Miauen des Kätzchens weiter einzugehen, reckte sich Tabitha gähnend. Vielleicht sollte sie noch etwas schlafen und ihre Nachforschungen verschieben. Eigentlich müsste sie um sieben ins Labor - aber falls sie später käme, wäre das nicht weiter schlimm. Dies gehörte zu den Privilegien einer Abteilungsleiterin und zugleich Tochter des Firmeneigentümers.
    Da sie unfähig war, der Versuchung zu widerstehen, einen letzten Blick auf ihren Schatz zu werfen, senkte sie die Augen auf den Keypad.
    Ihr Finger schwankte unentschlossen zwischen 1 und 2, bis plötzlich ein Grinsen auf Tabithas Lippen erschien. »Wenn ich denke, dass du mir immer einen Mangel an Kühnheit vorgeworfen hast!« sprach sie ihre abwesende Mutter an und drückte beherzt auf die 4.
    Der Bildschirm explodierte in einem glühend weißen Blitz. Tabitha fuhr zusammen und starrte wie gebannt auf den blendenden elektrischen Bogen, der zwischen dem Computer und der Kette hin und her zu springen schien.
    Lucy kroch fauchend in den Ärmel von Tabithas Schlafanzug, und Tabitha merkte, dass sich ihre Haare sträubten und ihr gesamter Körper vibrierte wie die überspannten Saiten einer Stradivari.
    In ihrer Kehle formte sich ein Schrei. Um den Bogen zu durchbrechen, streckte sie eine ihrer Hände nach der Kette aus und zwang ihre Finger durch den knisternden Schleier elektrischen Widerstands.
    In dem Moment, als sie den Smaragd berührte, wurde sie von dem künstlichen Blitz rückwärts in die Arme völliger Finsternis gepeitscht.

3
    »Jemine, war das ein Energieschub«, murmelte Tabitha, immer noch zu schlaff, sich zu rühren.
    Ihre Lider lagen schwer wie Blei auf ihren Augen, und mehr als ein jämmerliches Zucken brachten ihre Finger nicht zustande. Im Mund hatte sie einen metallischen Geschmack, und sie hoffte nur, dass der Geruch von Verbranntem, der ihr in die Nase stieg, weder von ihren Haaren noch von ihren Wimpern herrührte.
    Ein seltsames Leuchten hüllte sie mit Wärme ein. Die Heizung musste in schlimmerer Verfassung sein, als sie gedacht hatte. Offenbar hatte ihr Defekt das Versagen des Überhitzungsschutzes ihres Computers zur Folge gehabt, sodass sie infolge eines Stromschlages ohnmächtig geworden war. Aber erst als das seltsame Licht weiter vor ihren Lidern flackerte, fragte sie sich, ob das Penthouse vielleicht sogar in Flammen stand.
    Tabitha unterdrückte ihre Panik, öffnete mühsam die Augen und blickte blinzelnd dorthin, wo die Decke war. Oder wo die Decke hätte sein sollen. An ihrer Stelle sah sie einen Baldachin aus strahlend hellem, von keinerlei Smog verhülltem Blau. Sie schirmte ihre Augen gegen die direkt über ihrem Kopf hängende grelle Leuchtkugel ab.
    Ganz sicher hatte es gebrannt, dachte sie verwirrt. Das Penthouse war niedergebrannt - aber irgendein verwegener Feuerwehrmann hatte sie neunundfünfzig Treppen hinuntergeschleppt und auf den Gehweg vor dem Lennox-Turm gelegt.
    Aber wo waren die Berge schmutzig grauen Schnees? Die Sirenen? Die rüden Gaffer, die sich stets beim ersten Anzeichen
einer Katastrophe zusammenrotteten. Tabitha richtete sich auf und drehte ihren Nacken, um zu sehen, ob er das Gewicht ihres dröhenden Schädels trug.
    Allmählich nahm sie auch ihre Umgebung wahr. Sie saß auf einer riesigen, von mächtigen Eichen begrenzten Wiese inmitten von minzgrünem Gras und frühlingsfrischem Klee. Ganz in der Nähe zirpte ein Singvogel eine fröhliche Melodie, eine Sammlung farbenfroher Wildblumen tanzte in der lauen Brise, und Tabitha senkte eilig den Kopf, als ein fetter brauner Grashüpfer ihre Nase passierte.
    Nach Monaten beißender Kälte und eines bleiernen, schneeschweren Himmels wurden Tabithas Sinne überwältigt von dem Schauspiel, das sich ihr so jählings bot. Es war, als wäre sie, mir nichts dir nichts, in irgendeinen ewigen Sommer katapuliert worden.
    Ihr Atem stockte. Was, wenn sie nicht im ewigen Sommer, sondern in der Ewigkeit gelandet war? Vielleicht hatte es wirklich gebrannt, nur dass eben nicht ein kräftiger Feuerwehrmann sie aus den Flammen gerettet hatte?
    »Mach dich nicht lächerlich«, murmelte sie. »Der Schöpfer wäre sicherlich nicht so grausam, dich als Jungfrau sterben zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher