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Wild und frei

Wild und frei

Titel: Wild und frei
Autoren: Elizabeth Lane
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der Filigranhalskette, die halb unter Bosleys leblosem Arm lag.
    Als sie sich ihm näherte, tauchte plötzlich ein Bild vor ihrem inneren Auge auf – Bosley, wie er über einen hilflosen, bettlägerigen alten Mann gebeugt dastand, das Kissen nahm, es auf sein Gesicht presste, es festhielt … es festhielt. Die Wut, die sie da in sich spürte, war so heftig, dass ihr beinahe schwindlig wurde. Warum sollte sie sich mit dem Schmuck zufriedengeben, wenn sie den Mord an ihrem Vater hier und jetzt rächen konnte? Sie würde nur einen Augenblick brauchen, um aus dem Laboratorium nebenan eines von Sir Christophers kleinen Seziermessern zu holen. Ein einziger wohlüberlegter Schnitt an der richtigen Stelle – sie wusste genau, welche Ader sie durchtrennen musste –, und Bosley würde in der Hölle aufwachen, wo er hingehörte.
    Rowena zögerte und wich mit einem Kopfschütteln zurück. Sie war kein Scharfrichter. Im Grunde wollte sie nur Gerechtigkeit und Freiheit für sich und Black Otter. Um dafür zu sorgen, brauchte sie den Schmuck.
    Sie schob alle anderen Gedanken beiseite, dachte an die Aufgabe, die vor ihr lag, und griff nach der Halskette. Sie umschloss sie, zog daran. Erst da, als sie den leichten Widerstand spürte, merkte sie, dass sich der Verschluss der Halskette in einem Faden der Goldstickerei verhakt hatte, mit dem Bosleys Ärmel verziert war. Dadurch abgelenkt, beugte sie sich tiefer hinab, um den Verschluss loszumachen.
    Sie drehte gerade an der Schließe, als sie spürte, wie Bosleys riesige Hand ihren Arm umklammerte.
    Black Otter stand am Rand des bewaldeten Tales, sein geschmeidiger brauner Körper verschmolz mit den Schatten der Laubbäume. Mit den Blicken suchte er das Moor ab und ließ sie wieder einmal auf dem still daliegenden Herrenhaus ruhen.
    Er wusste genau, dass es besser für ihn gewesen wäre, in der Höhle zu bleiben. Die Sonne überflutete das Land bereits mit ihrem Licht. Nicht mehr lange, und berittene Männer mit ihren eifrig schnüffelnden Hunden würden das Land nach ihm absuchen, ihn verfolgen wie ein wildes Tier. Er hatte schon bald den Entschluss gefasst, dass er ihnen nicht lebend in die Hände fallen wollte. Aber seine eigene Sicherheit war nicht mehr wichtig, wenn Rowena in Gefahr war.
    Von Unruhe getrieben, schlich er sich näher heran, um einen besseren Blick zu haben, ließ dabei aber das Haus nicht einen Moment aus den Augen. Sie hatte ihn zu überzeugen versucht, dass sie in Sicherheit wäre, seine schöne, tapfere Rowena. Aber sie hatte fast zu tapfer gewirkt, zu gewiss, dass alles in Ordnung wäre.
    Licht und Schatten zogen im Wechsel über das schimmernde Moor, als die Sonne höher stieg. Jetzt mussten die Diener schon überall in den Scheunen und Ställen an der Arbeit sein, damit beschäftigt, Kühe zu melken, Eier einzusammeln, die Pferde auf die Weide zu bringen. In der Küche würde es die Köchin mit ihren Helferinnen eilig haben, das Frühstück vorzubereiten, die Glut im Herd neu zu entfachen, Porridge zu kochen, das Fleisch für das Mittagessen auf den Bratspieß zu stecken. Rauch müsste aus dem großen, gemauerten Schornstein aufsteigen, eine silberne Spirale, deutlich erkennbar im Licht des anbrechenden Tages.
    Black Otter kniff die Augen zusammen, als er das Haus genau beobachtete. Aus dem Schornstein stieg kein Rauch auf, nirgends war ein Lebenszeichen auszumachen, außer einer Bewegung im Fenster des Zimmers, von dem er wusste, dass es Rowenas war.
    Vielleicht hat es gar nichts zu bedeuten, sagte er sich – eine Lichttäuschung, oder einfach eine Bewegung von Rowena selbst. Er wartete weiter, darauf hoffend, ihr Gesicht hinter der Glasscheibe zu sehen, und zählte seine Pulsschläge, um die Zeit zu messen. Als die Zeit verstrich und sie sich nicht zeigte, wurde es ihm zur Gewissheit. Sie war da, und sie steckte in Schwierigkeiten.
    Im selben Augenblick, da er die Gefahr witterte, war er zum Handeln bereit. Rowena befand sich allein in dem Haus und war schutzlos einem Mann ausgeliefert, der bereits einer Frau Gewalt angetan und sie ermordet hatte. Die Gesetze konnten sie nicht schützen. Die Dienstboten genauso wenig. Nur er, Black Otter, konnte ihr helfen, und er wusste, wenn er es nicht schaffte, rechtzeitig zu ihr zu gelangen, musste sie sterben.
    Ohne auf die eigene Sicherheit zu achten, verließ er seine Deckung und rannte über das offene Moor, dabei alle geistigen Mächte anflehend, dass es noch nicht zu spät sein möge.
    Rowena lag mit dem
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