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Wild und frei

Wild und frei

Titel: Wild und frei
Autoren: Elizabeth Lane
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Männer da waren.
    Und was wäre, wenn der Wachtmeister nicht käme?
    Rowena schob die Frage beiseite, während sie um das Haus ging und durch die Vordertür eintrat, wo es weniger wahrscheinlich war, von den Dienern gesehen zu werden. Sie würde sich waschen, ihre Kleidung wechseln und abwarten, bis die Sonne eine Handbreit über dem Horizont stand. Wenn bis dahin niemand aufgetaucht wäre, würde sie den Schmuck einpacken, zwischen ihren Röcken verstecken, Blackamoor satteln und geradewegs nach Plymouth zum Haus des Freundes ihrer Mutter reiten.
    Als sie an der Wand der Großen Halle entlangging, stellte sie verblüfft fest, wie totenstill es im Haus war. Weder das Geklapper von Töpfen und Pfannen in der offenen Küche noch das übliche Stimmengewirr mit ab und zu dazwischen gerufenen Befehlen war zu hören. Auch der gewohnte Geruch nach dampfendem Porridge und Pökelfleisch fehlte heute Morgen. Vielleicht hatten sich die Diener zu sehr an den Resten des unseligen Bankettes gütlich getan. Na ja, darum brauchte sie sich jetzt nicht zu kümmern. Sie würden später schon auftauchen, verschlafene Gestalten, die betretene Gesichter machten, weil sie ein Donnerwetter befürchteten. Erst einmal hatte sie Wichtigeres zu tun.
    Sie fühlte sich auf einmal etwas beklommen, gab aber nichts darauf und ging leise auf der Treppe nach oben. Es hat auch sein Gutes, wenn die Diener nicht da sind, dachte sie. Wenn einer von ihnen sie jetzt sähe, würde es nur Klatsch in der Küche geben, und die Gerüchte würden genauso vor sich hin brodeln wie der Inhalt von Bessies Suppenkessel.
    Der Flur war leer, die Türen zu den Kammern und dem Laboratorium waren alle verschlossen, wie sie es hinterlassen hatte. Dennoch tat ihr Herz einen Sprung, als sie den Schlüssel in ihr eigenes Schloss steckte, ihn umdrehte und feststellen musste, dass sie ihre Tür gerade verschlossen – nicht aufgeschlossen – hatte. Hatte sie womöglich vergessen abzuschließen, ehe sie sich letzte Nacht aus dem Hause schlich? Ein dummes Versehen, aber verständlich. Sie hatte sich solche Sorgen gemacht.
    Ein schneller Blick den Flur entlang, und wieder drehte sie den Schlüssel im Schloss um und merkte, wie es aufsprang. Voller Erleichterung umfasste sie den Türknauf. Hier würde sie wenigstens etwas Ruhe finden, ehe Gefahren und Ungewissheit wieder auf sie einstürmten.
    Sie trat über die Schwelle und hielt inne, um die Tür hinter sich zu schließen. Erst als sie sich erneut umwandte und ins Zimmer sah, nahm sie wahr, welch erschütternder Anblick sich ihr bot.
    Ihre gesamte Kammer war durchwühlt worden, die Türen waren vom Kleiderschrank abgerissen, die Rückwand war zertrümmert, ihre Kleider lagen zerfetzt auf dem Boden verstreut. Schubladen waren herausgerissen, Schränke umgestoßen, der Inhalt war überall im Zimmer verteilt. Ihr Schreibtisch lag auf die Seite gekippt, die Schubladen waren zersplittert, als ob jemand darauf herumgetrampelt hätte. Das Tintenfass war gegen die Wand geworfen worden, war dort zerschellt und die Tinte wie schwarzes Blut an der weiß getünchten Wand hinabgelaufen. Tinte sprenkelte das zerrissene Schreibpapier und die zerstörten Notizbücher. Federn aus aufgeschlitzten Quilts und Kissen hatten sich überall verteilt.
    Rowena blickte zum Bett, und ihr stockte der Atem so heftig, als hätte ihr jemand eine Garrotte um den Hals geworfen.
    Edward Bosley lag bäuchlings ausgestreckt auf der zerschlissenen Matratze in derselben Kleidung, die er beim Bankett getragen hatte, nur war sie jetzt voller Schmutz, zerknittert und stank nach Bier. Durchdringende Schnarchlaute drangen aus Bosleys Mund, während sich sein Rücken im tiefen Schlaf hob und senkte.
    Um ihn herum auf dem Bett lag verstreut wie weggeworfenes Kinderspielzeug der Schmuck ihrer Mutter, Broschen, Ringe, die herrliche Perlenschnur – alles.
    Ein einzelner Granatstein, gefasst in einen Goldring, leuchtete wie eine winzige blutrote Sonne, als das Morgenlicht durch das offene Fenster darauf fiel. Rowena richtete ihren Blick fest darauf, während sie versuchte, sich der Bestürzung zu erwehren, die sie zu überwältigen drohte. Bosley hörte und sah nichts. Wenn sie sich beeilte und ganz leise war, konnte es ihr immer noch gelingen, den Schmuck an sich zu nehmen und aus dem Haus zu fliehen, ehe er aufwachte.
    Sie hielt den Atem an, als sie sich ans Bett schlich. Ihre Hand umschloss den Granatring. Mit klopfendem Herzen steckte sie ihn in ihre Tasche und griff nach
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