Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wikingerfeuer

Wikingerfeuer

Titel: Wikingerfeuer
Autoren: Shirley Waters
Vom Netzwerk:
Schulter zu sich.
    Er krümmte sich plötzlich und hustete so gottserbärmlich, dass sie die Schließe ihres Mantels löste und ihn schwungvoll abnahm. »Hier«, sie legte ihn um seine Schultern und rieb sie kräftig. »Besser so?«
    »J-ja.«
    »Gut. Und jetzt ab unter Deck mit dir!«
    Eben noch hatte sich Rouwen gefragt, ob er sich ihre männliche Aufmachung vielleicht nur eingebildet hatte. Doch als sie den Mantel abnahm, kamen darunter lederne Beinkleider und ein dunkelblauer Kittel mit silberbestickten Borten und hellem Pelzbesatz zum Vorschein. Ihre Füße steckten in Hirschlederstiefeln, und ein Gürtel aus ebensolchem Leder lag um ihre Mitte, an dem ein langes Messer in einer silberbeschlagenen Scheide steckte. Die hellblonden Haare waren zu einem dicken Zopf geflochten, der ihr über die rechte Schulter hing. Gelöste Strähnen ringelten sich an ihren Schläfen. Ein Silberband umschloss ihren Kopf, und wie auch viele der Krieger trug sie über den Ärmeln mehrere Silberreife.
    In jedem Haushalt, den er kannte, wäre eine solche Aufmachung nur dem Sohn zugefallen, auf dem das Wohlwollen eines reichen, mächtigen Vaters ruhte. War dieser Baldvin mächtig? Und diese Frau – weshalb war sie gekleidet wie ein Sohn?
    »Ich will aber nicht«, riss ihn die helle Stimme des Jungen aus seinen Überlegungen. »Vater hat gesagt, dass die Fahrt meine Lunge kräftigen soll. Also muss ich auch einmal bei Regen an die frische Luft. Das tut mir gut.«
    Sie stemmte die Fäuste in die Seiten und neigte sich vor, was Rouwens Augenmerk unwillkürlich auf ihre Brüste lenkte, denn ihre Tunika saß eng. Von ihrem schlanken Hals baumelte eine Lederschnur mit dem gleichen Götzenamulett, das ihm auch schon an den Männern aufgefallen war. Es sah aus wie ein kopfüber hängender Hammer.
    Er schluckte und sah an ihr vorbei. Der Mann, der soeben über der Bordwand sein Wasser abschlug, war jedoch bei Weitem kein so angenehmer Anblick. Einige Wikinger sahen her, doch niemand machte Anstalten, die beiden Häuptlingskinder des Platzes zu verweisen.
    »Es wird gleich dunkel«, hörte er sie sagen, streng wie eine Mutter. »Also lass dir einmal etwas von mir sagen, Arien, und geh unter Deck.«
    »Ich wollte dem Christen etwas zu trinken bringen.«
    Rouwen sah wieder zu den beiden. Er war sich sicher, dass dem Bengel das jetzt erst eingefallen war. Arien sah auch unter dem Mantel noch verfroren aus. Seltsamer Bursche , dachte Rouwen. Er selbst wäre froh, sich in einer warmen Ecke verkriechen zu können.
    Verächtlich schnaubte die junge Frau. Sie ging an Rouwen vorbei aus seinem Blickfeld und kam kurz darauf mit einem Becher zurück.
    Unschlüssig blieb sie vor Rouwen stehen. Er hatte den Kopf zur Seite gedreht, um nicht mehr von ihrer Schönheit zu sehen, als unumgänglich war. Einem Ritter Christi stand das nicht zu.
    »Du musst Durst haben.«
    »Nein.«
    »Er hat Durst«, verkündete Arien. Offenbar hatte er beobachtet, dass sich Rouwen den Regen von den Lippen geleckt hatte.
    Rouwen wandte sich ihr wieder zu und musterte sie aus schmalen Augen. »Madame, hätte ich die Hände frei, würde ich trinken wollen, aber ich lasse mich nicht von Euch tränken wie ein Tier.«
    Verblüfft ruckte sie hoch. Sie starrte ihn an.
    Hatte er je so helle Augen gesehen? Sie erinnerten ihn an einen regenverhangenen Himmel, der sich anschickte, die ersten Sonnenstrahlen hindurchzulassen. Plötzlich zog sie ihre Hand beiseite; das Wasser schwappte aus dem Becher. Sie brachte ihn zurück, und als sie wiederkehrte, schnappte sie sich ihren Bruder und zerrte ihn zum Heck, wo die beiden auf die Knie gingen und in einem zweifellos gut gewärmten Eckchen verschwanden.
    Gott im Himmel, bewahre mich vor diesen Wikingern und ihren seltsamen Frauen. Vor allem vor dieser. Rouwen versuchte sich wieder zu entspannen und seine missliche Lage für eine Weile zu vergessen. Der allmählich zunehmende Druck zwischen seinen Beinen machte diesen Vorsatz jedoch zunichte.
    Rúna ging an Deck, um sich den stinkenden Heiltrunk von den Händen zu waschen, den sie Arien gleich nach dem Aufwachen verabreicht hatte. Er mochte das grässliche Zeug nicht, das zur Hälfte aus Tran bestand, und hatte es in einem Hustenanfall ausgespuckt. Sie steuerte Sverri an, langte in seinen Schöpfeimer und säuberte sich die Finger, während der große Krieger ehrerbietig in seiner Arbeit innehielt. Wie so häufig mussten die Männer schöpfen, denn über die niedrige Bordwand schwappte selbst bei
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher