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Wikingerfeuer

Wikingerfeuer

Titel: Wikingerfeuer
Autoren: Shirley Waters
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Verwirrt schüttelte er den Kopf. Wie kam er überhaupt dazu, sie um etwas bitten zu wollen? Diese üble Kälte musste seinem Verstand zugesetzt haben.
    »Willkommen in Yotur«, sagte schließlich auch sie und wandte sich ab.

3.
    R úna ließ die goldene Kette mit dem kristallenen Anhänger durch die Finger gleiten. Woher der Fremde ihn wohl hatte? Und wem hatte er ihn schenken wollen? Sie kam nicht umhin, sich eine Lady von auserlesener Schönheit vorzustellen. Eine feine Dame. Vermutlich eine wie Athelna.
    Sie ließ den Schmuck fallen und glitt von dem mit Fellen üppig bedeckten Bett. Eigentlich hatte sie keine Lust auf die Feier der Heimkehrenden, denn der Stachel, um ihre Wikingfahrt gebracht worden zu sein, saß noch tief. Aber der süße Met, die gebratenen Birkhühner und der leckere Kuchen, den Júta, die zweite Frau Baldvins, aus Weizen, Honig, Butter und Moorbeeren backte, lockte sie dann doch.
    Sie zog ein Unterkleid aus heller Wolle an, dann das blaue Schürzenkleid mit den silberbestickten Borten, legte sich die Träger über die Schultern und verband sie mit dem Brustlatz mit runden Goldfibeln, Erbstücken ihrer verstorbenen Mutter. Zum Schluss flocht sie rasch die Haare zu einem langen Zopf und schlüpfte in seidene Schuhe.
    Der Kristall … Nein, der passte nicht dazu. Noch einige goldene Armreife in Form sich windender Schlangen … Leise lachte sie auf, als sie überlegte, dass so viel Aufputz für ein bisschen Met und Kuchen nicht nötig war. Aber als Häuptlingstochter musste man schon etwas hermachen.
    Sie verließ ihre Kammer unter dem Dach des Häuptlingshauses und stieg die Treppe hinunter, die in den Windfang am Eingang mündete. Durch einen schweren Wollvorhang betrat sie die große Halle. Der Rauch des Herdfeuers, über dem die Reste dreier Spansäue gedreht wurden, wirbelte über den Köpfen der Feiernden. Die gesamte Schiffsmannschaft mit ihren Familien war hier, die Frauen in ihren besten Kleidern, die Männer mit sauberen, polierten Waffen an den Gürteln. Zwei Jungen mühten sich, ihren Knochenflöten schrille Töne zu entlocken, zu denen getanzt und gesungen wurde. Die Halle war voll, und es ging laut zu, doch Rúna wurde kaum angerempelt – selbst die furchteinflößendsten Krieger gaben acht, die Häuptlingstochter respektvoll zu behandeln.
    Eine Sklavin hielt ihr ein Tablett mit dampfenden Bratenscheiben unter die Nase. Rúna nickte ihr freundlich zu und bediente sich. Sie hörte den Vater rufen; er hatte sie von seinem erhöhten Häuptlingsstuhl aus entdeckt und winkte sie herbei, doch sie hob nur die Hand und winkte zurück. Es war ja kaum ein Durchkommen.
    »Met, meine Schöne?« Yngvarr war plötzlich hinter ihr aufgetaucht und hielt ihr einen Silberbecher hin.
    »Danke.« Sie nahm den Becher und trank einen langen Schluck.
    »Ich habe ihn eigens für dich nachgesüßt«, verkündete er mit einem breiten Lächeln. »Ich weiß doch, wie du ihn magst.«
    Über seinem sorgsam gestutzten Bart zeigten sich hübsche Grübchen. Er war manchmal grob und gedankenlos, doch er konnte auch ganz anders sein: freundlich und einnehmend. Dies war einer dieser Momente. Sie dachte daran, wie es in ihrem Bauch gekribbelt hatte, wann immer er sie angelächelt hatte, damals vor fünf Jahren, als sie begonnen hatte, zu einer Frau zu erblühen.
    Es kam ihr inzwischen so seltsam vor …
    »Lass uns tanzen«, er fasste sie am Ellbogen.
    »Erst möchte ich nach Arien sehen. Wie ich ihn kenne, lungert er irgendwo hier herum, obwohl ihm diese Luft nicht gut tut.« Sie wollte zwar tatsächlich nach Arien sehen, doch es diente ihr auch als Ausrede. Ihr war nicht nach Tanzen. Was sollten die Leute denken? Die Krieger und Töchter der anderen Familien? Was feiert Rúna Wirbelwind denn da? Sie hat doch gar keine Beutefahrt gemacht.
    Enttäuscht runzelte Yngvarr die Stirn. »Ich glaube, er ist im Schwitzhaus.«
    Hastig trank Rúna den Becher leer und drückte ihn in seine Hand. Sie dankte ihm noch einmal, dann machte sie kehrt. Zurück im Windfang, befahl sie den beiden Wächtern, ihr die große Eingangstür zu öffnen. Die Männer zogen beide Flügel auf, und sie eilte ins Freie.
    In einer Ecke des Dorfes schmiegten sich in die Hügel mehrere Schwitzhütten. Die erste, die sich auf einem Felsen über einem Teich erhob, sodass man nach dem Schwitzen gleich in das kühle Wasser hineinspringen konnte, war der Häuptlingsfamilie vorbehalten. Aus dieser quoll Dampf. Rúna schlüpfte hinein. Sofort brach ihr der
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