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Wiener Schweigen

Wiener Schweigen

Titel: Wiener Schweigen
Autoren: Iris Strohschein
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Zehetmair untersuchen würden.
    Liebhart fragte: »Wissen Sie, wer meinen Kollegen niedergeschlagen hat?« Sein Mund wurde schmal.
    »Na, ich war’s nicht«, stellte sie lakonisch fest. »Das ganze Dorf hat nicht wolln, dass die Polizei aus Wien herumschnüffelt.«
    »Aber Sie waren bei Pfarrer Mullner?«
    Frau Tobler nickte langsam. »Der war ein netter Mann. Es hat mir leidgetan um ihn. Die Kunden im Laden habn sich erzählt, dass die Polizei beim Pfarrer gwesn is. Da is ma eingfalln, dass in den Kirchenbüchern vielleicht auch was drinnen steht über die alte Gschicht. I hab wieder net schlafn können und hab gwusst, i komm net zu Ruh, wenn i net rausfind, was der Mullner der Polizei gsagt hat.«
    Also hatte sie beschlossen, ihm einen Besuch abzustatten. Als sie, kurz bevor sie aufbrechen wollte, im Verkaufsraum gestanden war, war ihr Blick auf den Krautstampfer gefallen. Sie hatte ihn mitgenommen.
    »Was haben Sie sich dabei gedacht?«, wollte Liebhart wissen.
    Rosa wusste genau, was er mit dieser Frage bezweckte. Es bestand ein Unterschied zwischen vorsätzlichem Mord und Totschlag.
    »Ich hätte die Antwort aus ihm rausgeprügelt!«, blaffte Frau Tobler.
    Eindeutig vorsätzlich, dachte Rosa.
    Pfarrer Mullner hatte lange bestritten, dem Polizisten und der Frau etwas verraten zu haben. Er hatte so getan, als ob er überhaupt nicht wüsste, wovon Frau Tobler gesprochen hatte.
    »Da bin i zornig gworden. Wie er mir den Rückn zudreht hat, hab i den Krautstampfer aus der Taschn zogn und zugschlagn. Hab ihn gut getroffen, ist auf der Stelle umgfallen«, meinte sie nur. »Dann hab i des Haus nach den Kirchenbüchern durchsucht. I hab a was gfunden, beim Buch vom Jahr 1919 hat die Seite vom September gfehlt. Des hat eich der Pfarrer gebn. Da hab i gwusst, dass i was gegen die Frau tun muss, die immer mit ihna unterwegs war.«
    »Was hätte das für einen Sinn gehabt? Sie hätten ja mich auch umbringen müssen.«
    Rosa bemerkte, dass Liebhart nur schwer an sich halten konnte.
    Frau Tobler rutschte nervös auf ihrem Sessel hin und her. »Die Frau is immer daherkommen und hat sich die Bilder, die mein Stiefvater im Laden aufghängt hat, angsehn. Das machen ja viele, während sie warten müssen, aber die hat sich die Bilder immer ganz anders angsehn.« Trotzig verschränkte sie die dicken Arme vor der Brust.
    »Wie anders hat sie sich die Bilder angesehen?«, hakte Liebhart nach.
    »Na, so genau halt. Als ob sie die Bilder auswendig lernen wollte, und da sind doch die Pflanzen, die mei Stiefvater verwendet hat. Und dann hat sie auch was von dem Poln und einem Atlas mit giftigen Pflanzen drin erzählt, als s’ das letzte Mal mit Ihna da war. Da hab i gwusst, dass i was gegen die Frau tun muss.« Sie schüttelte den Kopf. »Die hätt mir mei Mutter weggnommen. Die hätt rausgfunden, woher mei Mutter kommen ist.«
    Frau Tobler hatte mit Hilfe des alten Herbariums von ihrem Stiefvater eine Tinktur aus Bilsenkraut zubereitet. Rosa war öfter zu ihr einkaufen gekommen; da war es für Frau Tobler naheliegend, ihr etwas ins Gemüse zu mischen.
    »Die hat sich extra ein kleines Glas für a Wanderung bestellt.« Frau Tobler tippte sich siegessicher an die Stirn. »Da hab ich im hinteren Teil vom Gschäft Bilsenkrautsaft in das Glas geben und es dann wieder verschlossen. Ich hab einen Schreck gekriegt, wie die ein paar Tage später vor mir gstanden ist. Ich hab mir dacht ghabt, die ist tot.«
    »Falsch gedacht«, brummte Rosa.

23
    Nachdem Rosa in die Auffahrt ihres Hauses eingefahren war, hatte sie sich erschöpft von der Hitze und vom Verhör aus dem Auto geschält. Die Befragung von Frau Tobler war abgeschlossen. – Und das war gut so, denn Rosa hatte kein Bedürfnis, in dem kleinen Zimmer ohne Fenster neben dem Verhörraum auch nur eine weitere Stunde zu verbringen. Sie hatte dabei sein wollen, wenn sich die verwirrenden Details der Mordfälle zu einem Ganzen zusammenfügten. Die Geschichte der Mörderin und ihre träge, schleppende Sprache, die stellenweise schwer verständlich war, hatten sie ziemlich mitgenommen.
    Die Spurensicherung hatte den Kirchenschatz für Untersuchungen freigegeben; nach dem Wochenende konnte Rosa mit ihrer Arbeit beginnen.
    Sie wusste nicht so recht, was sie mit sich anfangen sollte, und beschloss, sich ihrem verwahrlosten Garten zu widmen und ihr Haus zu putzen. In ihrem Kopf schwirrte das Gehörte der letzten Tage, dazwischen stieg immer wieder, wie das Pochen eines Herzschlages, ein
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