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Wiener Schweigen

Wiener Schweigen

Titel: Wiener Schweigen
Autoren: Iris Strohschein
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die der Haltegriff verursacht hatte, aus seinen Unterarmen trat. Dunkelrot zeichneten sich Flecken auf seinem weißen Hemd ab. Sie stieß ihn aus dem Badezimmer und den Gang entlang. Jedes Mal, wenn er versuchte, sich aufzurichten, brüllte sie und schlug zu.
    Er rutschte die Stufen hinunter. Rosa kam ihm nach. Im Erdgeschoss bekam er ihren Knöchel zu fassen und riss mit aller Kraft daran. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel nach hinten, der Griff glitt ihr aus der Hand.
    Mühlböck sprang auf und presste sie auf den Boden. Er schloss seine Hände um ihren Hals und begann zuzudrücken. Vor Rosas Augen verschwamm sein Gesicht mit dem des Angreifers von damals. Tränen traten ihr in die Augen. Aus dem Augenwinkel sah sie den Haltegriff unweit ihrer rechten Hand liegen.
    Sie spürte, wie Mühlböcks Hände sich immer enger und enger um ihre Kehle schlossen, hinter ihren Schläfen begann es zu pochen, sie tastete nach dem Griff und bäumte gleichzeitig ihren Körper auf, um ihn abzuschütteln. Der Druck hinter ihren Augen wurde stärker. Als sie schon glaubte, keine Kraft mehr zu haben, erreichte sie den Haltegriff, holte aus und schlug mit voller Kraft zu. Mühlböck ließ von ihr ab und griff sich an die linke Schläfe.
    Rosa setzte sich mit einem Ruck auf und sog hustend und keuchend Luft ein. Während sie tief einatmete, taumelte sie zur Eingangstür.
    Als sie die erreicht hatte, hörte sie Mühlböck zischen: »Ich krieg dich, und dann kill ich dich!«
    Rosa sah ihre erdverkrustete Kleidung, mit der sie im Garten gearbeitet hatte, beim Eingang liegen und griff danach. Sie riss die Eingangstür gerade noch rechtzeitig auf, Mühlböck war hinter ihr und versuchte, sie an der Schulter zurückzuziehen. Rosa ließ die Kleidung fallen und bückte sich nach einem Kübel mit trockenen Blättern, der neben dem Eingang stand, holte aus und traf ihren Angreifer am Kopf. Dann raffte sie ihre verdreckte Gartenkleidung zusammen und begann zu laufen. Das Wichtigste waren die Schuhe, ohne Schuhe konnte sie nicht lange über stoppelige Felder oder harten Asphalt rennen. Sie hetzte die Straße zu Johannas Haus hinunter.
    Als sie einigen Abstand gewonnen hatte, zog sie sich die Schuhe an und streifte das T-Shirt über, dann lief sie weiter. Mühlböck hatte lange gebraucht, bis er sich aufgerappelt hatte. Sie hatte ihm ordentlich zugesetzt. Als Rosa sein Auto starten hörte, wusste sie, dass sie um ihr Leben rannte.
    Ihr Herz schlug heftig gegen ihre Brust; neben der Angst war sie so wütend, dass sie am liebsten umgekehrt wäre, um ihm den Rest zu geben. Nie wieder durfte jemand sie schlagen! Nie wieder durfte jemand sie so verletzen! Sie würde sich nie wieder so schutzlos fühlen wie in jener Nacht. Tränen rannen ihr die Wangen hinunter. Der Mercedes heulte auf und raste die Straße hinter Rosa her, als sie die erste Kurve mit der schadhaften Fahrbahn erreicht hatte.
    Obwohl sie in Lebensgefahr war, registrierte sie ihre Umgebung bis ins Detail. Eine Fledermaus flatterte vor ihr auf und verschwand über den Feldern in die Nacht. Die Zikaden summten so laut, dass sie das Motorengeräusch des nahenden Mercedes fast überdeckten. Sie passierte die zweite Kurve. Am Waldrand meinte sie die Augen eines Rehs aufflackern zu sehen.
    Der schafft mit dem Tempo die Kurve nicht, schoss es ihr durch den Kopf.
    Sie lief auf Johannas Haus zu und begann, auf die Eingangstür einzuhämmern und zu schreien. Johanna war nicht zu Hause. Plötzlich wurde Rosa ganz ruhig. Ohne sich umzudrehen, wusste sie, was hinter ihrem Rücken passierte.
    Es geschah alles wie in Zeitlupe. Sie legte ihre Stirn an die Tür von Johannas Haus, sie atmete aus und schloss die Augen, der Motor des Mercedes heulte auf. Sie atmete ein, plötzlich war nichts mehr zu hören. Sie atmete aus, ein Krachen. Sie atmete ein, in Johannas glänzend gestrichener Eingangstür spiegelten sich Flammen, die in Rosas Rücken hell aufleuchteten.
    Draußen auf der abbröckelnden Fahrbahn erschallten Rufe und wurden über die Felder getragen. Löschfahrzeuge standen blinkend und mit brummenden Motoren auf der Straße. Schaulustige aus dem Ort standen am Rand der Straße und sahen zu den rauchenden Trümmern des Wagens. Mit jaulendem Martinshorn traf ein Rettungswagen ein.
    Der Notarzt konnte nur noch den Tod von Daniel Mühlböck feststellen.
    Johanna hatte Rosa in ihrem Wohnzimmer auf die Couch gesetzt. Als sie mit zwei Gläsern Cognac das Zimmer wieder betrat, stand Rosa am Fenster und sah
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