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Wiener Schweigen

Wiener Schweigen

Titel: Wiener Schweigen
Autoren: Iris Strohschein
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Baldachinspinne ableitet?«, fragte Johanna.
    Rosa nickte. »Sie lässt ihre Spinnfäden im Herbst durch die Luft segeln.«
    Johanna setzte den Weg fort. »Schweinsschnitzel, Surbraten …«
    »Was ist eigentlich aus Ludwigs Aschenbechern in Organform geworden?«, versuchte Rosa Johanna von der nervtötenden Aufzählerei abzubringen.
    Johanna blieb stehen und rieb sich die Nasenwurzel. »Na, rate einmal.«
    Rosa drehte sich zu ihrer Freundin um und hob die Augenbrauen.
    »Ein voller Erfolg! Ich hab mir gedacht, ich hör nicht recht. Unser Bürgermeister überlegt ernsthaft, Ludwig den Ehrenschlüssel von Brunn zu überreichen, wegen besonderer Verdienste um die Region.«
    »Wie?«, stieß Rosa hervor.
    »Ich habe mich darum bemüht, dass er seine schrecklichen Aschenbecher im Andenkenladen gleich bei der Kirche verkaufen darf. Thea Buchler ist mir noch einen Gefallen schuldig.«
    »Ich glaube langsam, ganz Brunn steht in deiner Schuld.«
    »So bin ich halt, ich gebe gerne und erinnere die Leute beizeiten daran.« Johanna grinste verschmitzt. »Auf jeden Fall hat Ludwig die Aschenbecher mit einem ›Grüße aus Brunn. Möge Ihnen die Lunge der heiligen Barbara Gesundheit schenken‹ oder irgend so einem Mist versehen. Die Touristen haben den Laden von Thea gestürmt. Frag mich nicht, warum, alle Aschenbecher waren innerhalb eines Wochenendes ausverkauft.«
    Fünfzehn Minuten später erreichten sie die Veigl-Hütte. Sie setzten sich und bestellten schon reflexartig einen »Sturm«. Rosa warf einen Blick in das Innere der Hütte. An den urigen Steinwänden hingen landwirtschaftliche Gerätschaften. An alten Schienen unter der Decke waren exotische Geldnoten, die der Wirt als Zahlungsmittel akzeptiert hatte, befestigt. Eine dichte Weinrebe wucherte um das Vordach und tauchte die Tische darunter in grünes Licht.
    Der Blick ins Tal war atemberaubend, milchig lag die Ebene des Wiener Beckens ausgebreitet vor ihnen. Sie aßen Speckbrote und bestellten beide noch ein Viertel »Sturm«.
    Na, der Abstieg wird lustig, dachte Rosa.
    »Was machst du jetzt in Sachen Bakk Pharm  AG ?«, wollte Johanna wissen und biss in ihr Brot.
    Rosa zuckte zusammen. Die Arbeit an den Kunstgegenständen hatte sie so eingenommen, dass die Ereignisse um Pauls Tod für sie nicht so präsent waren.
    »Liebharts Untersuchung in der Firma hat nichts ergeben und ist eingestellt worden.«
    »Du hast gehofft, dass sie doch noch irgendetwas finden?«
    Rosa lehnte sich zurück, sie zerknüllte die rot karierte Papierserviette in ihrer Hand. »Der Überfall von Daniel Mühlböck ist für mich die Bestätigung, dass er schon einmal in meinem Haus war. Und ich glaube, dass Paul ihn eingeladen hat. Er hat ihm vertraut. Wahrscheinlich haben sie ein Glas Wein miteinander getrunken, und Paul hat ihm gezeigt, wie man das Licht im Keller aufdreht.«
    »Aber Mühlböck hat dir doch gesagt, dass er erst nach Pauls Tod zur Bakk Pharm  AG   gekommen ist«, gab Johanna zu bedenken.
    Rosa zuckte mit den Schultern. »Er hat gelogen. Ich habe mich immer und immer wieder gefragt, warum Paul mir die für ihn wichtige Nachricht ›Gen. 16,1; Infer.‹ nicht einfach zu Hause hinterlassen hat. Dann hätte er mir auch das Rätselraten ersparen können, was diese verdammte Abkürzung eigentlich bedeutet.«
    Johanna sah Rosa erwartungsvoll an.
    »Weil Paul wusste, dass sie zu Hause nicht sicher war. Er konnte sich ausrechnen, dass Mühlböck zuerst dort nachsehen würde. Also hatte er sie in der Höhle des Löwen deponiert.«
    Ein leichter Wind kam auf, die zarten Äste der Weinreben am Hang des Anningers begannen zu wippen. Das Land sah aus wie ein grünes Meer, dessen Oberfläche sich sanft kräuselte.
    Sie brachen bald auf, stiegen durch den Wald hinunter und steuerten Gumpoldskirchen an. Der alte Kreuzweg führte sie direkt zur ehemaligen Burgkirche, die etwas erhöht lag. Dicke Mauern fassten einen Wassergraben ein, in dessen Oberfläche sich der Spätsommerhimmel spiegelte. Der mächtige Kastanienbaum vor dem Gotteshaus hatte sein Laub schon fast vollständig abgeworfen.
    Rosa und Johanna strichen mit ihren Füßen durch die rostroten Blätter, die das Kopfsteinpflaster bedeckten. Tief geduckt lagen die alten Winzerhäuser entlang der Wiener Straße. Durch die weit geöffneten großen Tore konnte man in die schattigen Höfe blicken, in den Durchgängen standen riesige Kübel mit Oleander.
    Johanna und Rosa beschlossen, nicht mehr in einen Heurigen einzukehren, es war
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