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Wiener Schweigen

Wiener Schweigen

Titel: Wiener Schweigen
Autoren: Iris Strohschein
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woher die Zielińskis die Ikone hatten. Sie ist einiges wert, die Familie muss ihrerseits auch beweisen können, dass sie ihnen zusteht. Da wird ein Foto nicht reichen. Geraubte Kunstgegenstände werden nur mit dem dazugehörigen detaillierten Bericht über ihre Herkunft zurückgegeben. Stell dir einmal den Skandal vor, wenn sich herausstellt, dass wir die Sachlage nicht genügend geprüft haben und auch nur   ein   Wertgegenstand in falsche Hände rückerstattet wurde. Das wirft kein gutes Licht auf die anderen Teile, die in die richtigen Hände gelangt sind. Aber jetzt würde ich sagen, du lädst mich zum ›Schnitzelwirt‹ ein.«
    Liebhart sah sie wegen des abrupten Themenwechsels kurz verdattert an. »Rosa, es hat vierzig Grad draußen! Du kannst mir nicht erzählen, dass du jetzt Gusto auf ein Schnitzel hast, das so groß ist, dass du es dir einmal um den Körper wickeln könntest.«
    »Doch, hab ich, und wenn ich in der Schüssel mit Erdäpfelsalat, die ich dazu bestellen werde, nicht baden kann, zahl ich.«
    Die Tische, die auf dem Gehsteig vor dem Schnitzelwirt im 7. Bezirk standen, waren alle leer. Die Hitze des Tages stand wie ein dicker Watteballen in der Neubaugasse, in der sich das Wirtshaus befand.
    Rosa ließ ihren Blick über die Hausfronten der kleinen Straße streifen, die sich in den letzten Jahren zu einer angenehmen Einkaufsalternative entwickelt hatte. In den alten gründerzeitlichen und sezessionistischen Häusern waren vorwiegend kleine ebenerdige Geschäfte untergebracht, die sich mit ihrem individuellen Sortiment von der Massenware, die auf der nahen Mariahilfer Straße angeboten wurde, abhoben. Das Haus gegenüber dem Schnitzelwirt hatte eine gelbe späthistorische Fassade, die verspielte Stuckatur um die rundbogigen Fenster war frisch weiß gestrichen. Rosa fand, dass die Fenster aussahen, als wären sie mit Schlagobers verziert worden.
    Als der Kellner kam, fragte sie ihn, warum denn niemand draußen sitze. Er klagte, dass die Gäste wahrscheinlich vor der Hitze in der Stadt auf die Donauinsel geflüchtet seien.
    »Jetzt haben sich die Ereignisse der letzten Wochen fast zur Gänze aufgeklärt.« Liebhart starrte fassungslos auf die unmenschlich große Portion Wiener Schnitzel mit Salat, die Rosa in sich hineinschaufelte.
    »Bis auf den Überfall auf Schurrauer«, meinte Rosa und nahm einen großen Schluck Bier.
    Er nickte nachdenklich. »Obwohl mir das überhaupt nicht behagt, ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass wir den Täter finden.«
    Rosa stimmte ihm zu. »Die Bürger vom Kahlenbergerdorf haben jahrzehntelang über das furchtbare Schicksal von fünfunddreißig Menschen dichtgehalten. Da wird auch jetzt keiner reden, wenn es um den Übergriff auf einen Polizisten geht.« Sie ließ ihren Blick über die Häuserfronten schweifen. Eine Gruppe Jugendlicher ging in bunter Sommerkleidung auf der anderen Straßenseite entlang. Sie lachten und unterhielten sich laut.
    Liebhart stocherte lustlos in dem kleinen gemischten Salat herum, den er sich bestellt hatte. »Du beschäftigst dich doch dauernd mit den wertvollsten Kunstgegenständen. Kannst du dir vorstellen, für eine Ikone zu töten?«
    Rosa schüttelte den Kopf. »Für Frau Tobler hatte der Schatz keine materielle Bedeutung. Die Marienikone von Andrzej ist ein wunderschönes Bild. Die Liebe der Mutter zu ihrem Sohn hat über Jahrhunderte Menschen berührt.«
    Nach einer kurzen Pause widmete sie sich wieder ihrem Schnitzel und aß es bis auf den letzten Bissen auf.
    Liebhart bestellte noch ein Mineralwasser und wechselte dann das Thema. »Meine Leute haben das Büro von Daniel Mühlböck auf den Kopf gestellt und außer sehr viel poliertem Chrom und glänzendem Glas nichts gefunden. Wie du schon vermutet hattest, ist der Karton mit Pauls Aufzeichnungen verschwunden. Das Team durchforstet gerade die Personalakten, ob sie irgendeine Spur finden können.«
    Rosa nickte und zeigte sich nicht überrascht. »Vielleicht sollten wir die Verbindung Daniel Mühlböcks zu dem Mörder unseres letzten Falles überprüfen. Ich glaube immer noch, dass er beauftragt worden ist, Paul zu töten. Wie ist er sonst an das Foto von ihm am Komatsee gekommen, das er in seiner Collage verwendet hat? Vielleicht hat sogar Mühlböck ihn angeheuert?«
    Liebhart versprach, sich darum zu kümmern, gab aber zu bedenken, dass gedungene Mörder selten Spesenabrechnungen oder Honorarnoten vorlegten, anhand derer man Verbindungen zu den Auftraggebern feststellen
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