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Wiener Schweigen

Wiener Schweigen

Titel: Wiener Schweigen
Autoren: Iris Strohschein
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des war dann ja auch so. I bin a paar Nächt später wach gwordn, weil ich a Geräusch ghört hab. I bin in den Keller nachschaun gangen, und er is schnell abghaut. Des Brustkreuz war weg, a paar Sachn warn verschobn wordn. I hab so einen Zorn kriegt! Da wollt i den Scheißpoln umbringen. Der hat des goldene Kreuz sicher nur mitgnommen, damit er’s zur Polizei tragn kann und die ihm glaubn, dass da no mehr in mein Keller liegt«, gab sie zu und ballte die Fäuste.
    Sie hatte hin und her überlegt, wie sie sich das Brustkreuz wiederholen könnte. In der Pension Schrattner konnte sie nicht einfach auftauchen, die Wirtin hätte wissen wollen, warum sie Zieliński suchte.
    Zwei Nächte später hatte sie wieder ein Geräusch gehört. Sie war in den Verkaufsraum geschlichen und hatte den Krautstampfer aus dem Fass gezogen. Im Keller hatte Licht gebrannt.
    »Der hat scho mei Mutter in der Hand ghabt. Er is auf mi losgangen und hat ma den Krautstampfer aus der Hand geschlagen. I hab das Erstbeste gnommen, was i dawischt hab. Des war a Ikone mit an schönen Goldrand, damit hab i mit aller Kraft zugschlagen. Dann is a liegn bliebn.«
    »Was haben Sie dann gemacht?«, fragte Liebhart langsam.
    »I hab meine Mutter aufghoben und ganz fest an mich drückt.«
    Frau Tobler hatte im Rucksack von Zieliński das Notizbuch gefunden, es durchgeblättert und auf jeder Seite eine Zeichnung ihrer Marienikone gefunden.
    »Der wollt sie mir wegnehmen, verstehn S’?«, rief sie aufgebracht. »Das hab i net zulassen können.«
    Unglaubliche Wut hatte sie gepackt. Sie hatte ein paar Seiten aus dem Buch gerissen, war zu Andrzej Zieliński gegangen und hatte ihm die Blätter in den Mund gestopft.
    »Er hat gwürgt und gröchelt, da hab i den Krautstampfer gnommen und ihm die Blätter tiefer ins Maul gstopft und auf ihn eingschlagen.« Dann brüllte Frau Tobler so plötzlich, dass Rosa erschrak: »Keiner nimmt mir mei Mutter weg!«
    Liebhart schlug eine Pause vor. Frau Tobler wurde wieder in ihre Zelle gebracht. Er ging zu Rosa, sie bot ihm Kaffee aus ihrer Thermoskanne an.
    »Wie geht’s dir?«, fragte er sie.
    Rosa schüttelte langsam den Kopf. »Um ehrlich zu sein, ich bin froh, wenn das Verhör ein Ende hat. Mich macht diese Lebensbeichte fertig, wie die Tobler aufgewachsen ist … und was aus ihr geworden ist. Ich kann das schon bald nicht mehr hören.«
    »Verhöre sind nicht immer die Krönung einer Ermittlung.« Liebhart nahm einen Schluck Kaffee. »Ich hab das schon zu oft erlebt, als dass es mich noch besonders berühren würde. Obwohl ich sagen muss, dass die Geschichte der Frau streckenweise schon harter Tobak ist.«
    Am späten Nachmittag wurde das Verhör fortgesetzt. Es sollte das letzte Mal sein, dass Rosa die Mörderin sah. Die Kunstgegenstände waren von der Spurensicherung freigegeben worden, und nach dem Wochenende konnte sie mit ihrer Arbeit beginnen. Sie freute sich schon sehr darauf und stellte nach den Tagen in dem kleinen Zimmer fest, dass sie es richtig getroffen hatte mit ihrer Berufswahl. Ihr waren Bilder und Zierrat lieber als die seelischen Abgründe von Menschen, die sich ihr, seitdem sie mit Liebhart zusammenarbeitete, auftaten.
    Auf der anderen Seite der Glasscheibe fragte Liebhart: »Wie haben Sie den Leichnam von Zieliński zum Kuchelauer Hafen gebracht?«
    Mit tonloser Stimmte antwortete sie: »I hab seine Händ und Füß mit an Seil zambunden, dann hab i ihn in a Plane eipackt und bin mit zum Hafn gfahrn. Da hab i ihn in a Fischerboot glegt und bin mit ihm rausgrudert, und an der tiefsten Stell hab i ihn reingworfn.«
    »Den Rucksack haben Sie am Ufer versteckt? Da hätten Sie doch davon ausgehen können, dass der gefunden wird?«
    »I wollt ihn eigentlich verbrennen, hab ihn aber dann vergessen. Einfach liegen glassen.«
    »Das Pfarramt?« Liebhart lehnte sich vor und stützte sich auf dem Tisch ab.
    »Diese Scheiß-Mure!«, fuhr Frau Tobler auf. »Das kann doch nicht wahr sein, dass ein paar Tage, nachdem ich den Poln in den Hafen gworfen habe, genau dort eine Mure abgeht.«
    Es war ihr klar gewesen, dass die Polizei auf der Suche nach der Identität der namenlos Verscharrten ins Pfarramt vom Kahlenbergerdorf gehen und sich die Sterberegister ansehen würde.
    »Deswegen der Molotowcocktail«, stellte Liebhart fest.
    Frau Tobler nickte nur.
    Nach dem Murenabgang war ihr noch immer keine Ruhe beschert gewesen. Es hatte sich herumgesprochen, dass Beamte aus Wien nun auch das Haus der
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