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Wiedergaenger

Wiedergaenger

Titel: Wiedergaenger
Autoren: Alexandra Kui
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bereitet.Er tut es für sie, weil
er glaubt, sie aufmuntern zu müssen. Dabei isst er einen Keks
nach dem anderen. Er ist ein guter Junge.
    Sie lässt den Kaffee stehen und tritt ans Fenster.Auf der
schwarzen Lava hat sich der Schnee der vergangenen Nacht zu Eis
verhärtet, dazwischen das Moos in einem übernatürlichen
Grün. Das graue Meer ist aufgewühlt.Trotzdem kann sie in
dem Gewirr aus sich aufbäumenden und brechenden Wogen das
metallische Schimmern mehrerer Haifischflossen ausmachen, und sie
stößt einen kurzen Schrei aus.
    Der Enkel springt auf und hastet an ihre Seite. »Was ist?«
    Sie deutet auf die Bucht. »Haie.«
    Â»Kann vorkommen, um diese Jahreszeit.«
    Â»Siehst du sie?«
    Er schaut konzentriert. »Nein.Aber es ist normal, dass da
Haie sind.«
    Sie ist den Tränen nah. »Das sind die Gefährten
vom Móri, dem Braunen. Immer wenn Haie in die Bucht schwimmen,
führt er wieder etwas im Schilde.«
    Â»Ach, Amma.« Er legt einen Arm um sie und geleitet sie
ins Wohnzimmer, drückt sie mit sanfter Gewalt auf das Sofa und
setzt sich dazu, hält ihre Hand. »Du und deine Geister.
Willst du nicht endlich in die Stadt ziehen?«
    Minuten vergehen. Ihm zuliebe denkt Fritzi darüber nach. Sie
in der Stadt in einer dieser neuen Wohnanlagen mit riesigen Fenstern
zur Bucht. Seniorentanztee. Lange Flure, Handläufe an den
Wänden, hinter den Türen das Lärmen der
Fernsehapparate. Was soll sie dort? Freunde finden? Sie hatte nie
einen Hang zur Geselligkeit.
    Das stete Rauschen des Nordatlantiks wächst zu einem
Donnergrollen heran.Als sie in seinem Alter war, hat sie auch nicht
an Geister geglaubt.
    Â 

Hunger
    Kein Zweifel, die Sache mit den Konzerten hat sich
verselbstständigt. In der kleinen Fabrikhalle, einst Herzstück
der Metallhüttenwerke, herrscht dichtes Gedränge, als gäbe
es keine Abmachung: nur Freunde und gute Bekannte. Grob geschätzt
warten im Schummerlicht schwacher Lichterketten dreihundert Leute.
Mindestens. Das reinste Sicherheitsrisiko. Es wird geraucht und
getrunken, die Luft ein zäher Brei. Liv hat jedenfalls keine
dreihundert Freunde. Nicht mal dreißig, sondern höchstens
eine Handvoll. Wenn sie ihren Großvater und Volker Sanders
mitzählt, verheiratet, vier Töchter. Niemand hat
dreihundert Freunde. Vermutlich nicht einmal der Holländer,
trotz des schicken Wagens. Sie beobachtet halb amüsiert, halb
genervt, wie er sich als DJ produziert.Aus den Boxen quillt düsterer
Lärm, dem zwar ein Rhythmus zugrunde liegt, ein fesselnder
sogar, jedoch keine erkennbare Melodie.
    Als sie die Band gründeten, war von Auftritten überhaupt
keine Rede, sie fanden lediglich Gefallen daran, in den abbruchreifen
Gemäuern, die ihnen anvertraut worden waren, zusammen zu
musizieren, später auch zu komponieren, berauscht durch die
besondere Akustik und Atmosphäre der todgeweihten
Industrieanlagen. Die ersten Proben hatten etwas von einer
Verschwörung, sie fühlten sich kühn und frei. Bis
irgendwann die Freundinnen und Ehefrauen der anderen Bandmitglieder
zum Zuhören kamen. Unangemeldet. Dann deren Freundinnen mit
Anhang, jedes Mal ein paar mehr, bis aus Proben Gigs wurden, sie in
einem Hinterhofstudio einige Songs aufnahmen und anfingen, unter dem
Namen »Die Sprengberechtigten« CDs zu verkaufen. Unter
der Hand. Immerhin eine nette Einnahmequelle. Seitdem haben sie es
nicht mehr im Griff. Ganz offensichtlich.
    Volker gesellt sich zu ihr. Um sich verständlich machen zu
können, muss er ihr direkt ins Ohr brüllen. »Uns geht
bald das Bier aus. Die saufen wie die Löcher. Lass uns endlich
anfangen, Engel.«
    Â»Wenn das Bier aus ist, gibt es halt nichts mehr. Wieso habt
ihr Trottel überhaupt so viele Leute reingelassen? Seid ihr
irre? Was ist, wenn das Ordnungsamt dahinterkommt? Wenn irgendetwas
schiefgeht, können wir einpacken.«
    Volker kratzt sich am Vollbart. »Was hätten wir machen
sollen? Die kannten alle das Codewort. Passt schon. Was soll
schiefgehen? Unsere Fans sind nicht auf Randale aus, schau dich um,
die haben einfach Spaß. Und die meisten sind sogar halbwegs
erwachsen.«
    Â»Aber total besoffen. Das geht nicht, dass die hier auf der
Baustellerumturnen.«
    Â»Dann bringen wir die Sache hinter uns und schmeißen
sie raus. Beim nächsten Mal mieten wir eine Bar oder einen Club,
wie eine ganz normale Feierabendband.« Er
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