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Wie wir gut zusammen leben

Wie wir gut zusammen leben

Titel: Wie wir gut zusammen leben
Autoren: Juergen Manemann
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Frankreich im Jahre 2006, Julie Coudry, und einem Student aus Heidelberg, Florian Lux, führte. Das Gespräch endet mit folgenden Sätzen:
    » ZEIT: Welche Träume haben Sie beide?
    Coudry: Keine Träume, keine Idole.
    Lux: Große, generelle Träume? Nein, keine.
    ZEIT: Gar keine? Anders gefragt: Wie wollen Sie in zehn Jahren leben?
    Lux: Wenn ich das wüsste.
    Coudry: Das ist ja das Schicksal unserer Generation: Wir wissen das nicht mehr.«
    Angesichts dieser Diagnose ist heute das geflügelte Wort des Publizisten Walter Dirks (1901–1991), wonach Politik der neue Name für Kultur sei, umzukehren: Kultur ist der neue Name für Politik.

I II.

Politik ist keine Klientelpolitik.

D ie Erfinder der Politik waren die Griechen. Diese haben auch die Perspektive der Politik vorgegeben: Politisches Handeln heißt nach Aristoteles, das Leben menschlicher zu machen und zu erhalten. Politik hat deshalb zentral mit dem Gemeinwohl zu tun. Ein Handeln, das sich von bloßen Partikularinteressen und bloßen Parteiinteressen leiten lässt, hat aus diesem Grund nichts mit Politik zu tun. Politik ist nur Politik, wenn sie auf das Gemeinwohl hin orientiert ist.
    In diesem Sinne hat Politik mit dem Ganzen zu tun. Das unterscheidet politisches Handeln von einem Handeln, das nur auf bestimmte Personenkreise beschränkt ist, etwa die eigene Familie, die Verwandtschaft oder die Nachbarschaft. Eine Politik, die sich in erster Linie als Einsatz für eine bestimmte Klientel versteht, ist keine Politik. Das wissen wir alle auch nur allzu gut. Aus diesem Grund ist der Begriff »Interessenpolitik« das negative Label für eine Politik, die sich nur dem Parteiinteresse oder persönlichen Interessen verdankt. Dennoch wird auch von »legitimer Interessenpolitik« gesprochen. Wer diese für sein politisches Handeln in Anspruch nimmt, tut dies meist mit Blick auf das nationale Interesse oder, wie häufig von dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer reklamiert, im »bayerischen Interesse«. Dass jedoch das Nationale oder das Bayerische unter der Hand wiederum mitdem der Partei identifiziert wird, verwundert nicht allzu sehr.
    In der gegenwärtigen Debatte wird insbesondere der FDP vorgeworfen, sie bediene in erster Linie eine bestimmte Klientel, als da sind Zahnärzte, Hoteliers, Unternehmen – sogenannte Besserverdiener. Und in der Tat: FDP-Politiker verstehen sich heutzutage zuallererst als Wirtschaftspolitiker. Das war in der Vergangenheit der Partei anders. Hildegard Hamm-Brücher und Gerhard Baum standen für einen politischen Liberalismus, dessen Augenmerk dem Schutz des Bürgers vor den Übergriffen des Staates galt. Das Interesse der heutigen FDP als einer Wirtschaftspartei dient vorwiegend den Interessen der Arbeitgeber. Da sich die FDP immer wieder als Wirtschaftspartei in der Öffentlichkeit präsentiert, besteht die Gefahr, dass liberale Politik zur Klientelpolitik verkommt.
    Dass die FDP für eine Klientelpolitik anfälliger ist als andere Parteien, zeigt auch ein Blick in ihr neues Grundsatzprogramm: die »Karlsruher Freiheitsthesen«. Dort wird natürlich zu Beginn das Eintreten für die Freiheit aller Menschen hervorgehoben. Welcher Bürger würde das nicht unterschreiben wollen? Aber welche Freiheit ist gemeint? Im Grundsatzprogramm wird Freiheit zunächst klassisch liberal spezifiziert: Die Freiheit ist die Freiheit des Einzelnen. Diese Freiheit des Einzelnen wird näherhin bestimmt als Leben ohne fremden Zwang. Was aber ist ein »Leben ohne fremden Zwang«? Eine Freiheit ohne Hindernisse? Gemeint ist hier natürlich nicht ein Lebenohne Hindernisse und ohne Zwang. Eine solche Vorstellung wäre völlig lebensfern.
    Wenn die FDP von Freiheit als einem Leben ohne Zwang spricht, dann geht es ihr nicht um die generelle Freiheit von Zwängen, sondern um die Freiheit von Zwängen, die mir von Dritten einseitig auferlegt werden. Wenn ich ein fremdbestimmtes Leben führe und meine Bedürfnisse nicht befriedigen kann, bin ich unfrei. Freisein von Zwängen heißt im liberalen Sinne, nur die Zwänge zuzulassen, die ich selbst gewählt oder denen ich meine Zustimmung gegeben habe. Ohne Zwänge, das wissen auch die FDP-Politiker, kann der Einzelne nicht leben, da er ja nicht allein auf der Welt lebt.
    Dennoch: Wer so argumentiert, der halbiert das Leben. Auch ein FDP-Politiker kommt nicht daran vorbei, anzuerkennen, dass es im Leben Zwänge gibt, die der Einzelne nicht selbst gewählt hat: seine Eltern, sein Geschlecht, sein Umfeld, in dem sie oder
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