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Wie Sie reden, damit Ihr Kind zuhoert und wie Sie zuhoeren, damit Ihr Kind redet

Wie Sie reden, damit Ihr Kind zuhoert und wie Sie zuhoeren, damit Ihr Kind redet

Titel: Wie Sie reden, damit Ihr Kind zuhoert und wie Sie zuhoeren, damit Ihr Kind redet
Autoren: Jan-Uwe Rogge , Angelika Bartram
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hilflos dastehen.
Erster Akt: »Bitte«
    »Räum bitte auf!« »Komm bitte her!« »Lass das bitte sein!« … Barbara, neun Jahre, erzählt: »Wenn meine Mama ›bitte‹ sagt, dann ist es halb so wild!« Um nicht missverstanden zu werden: »Bitte« und »Danke« sind zwei wichtige Worte! Jemanden um einen Gefallen zu bitten oder sich für etwas zu bedanken drückt Respekt aus. Aber ein »Bitte« lässt dem anderen auch die Freiheit, der Bitte nicht nachzukommen, aus welchen Gründen auch immer. Will man jedoch etwas oder verweist auf getroffene Absprachen, dann kann, ja sollte das WORT »BITTE« ENTFALLEN : »Ich möchte, dass du deine Sachen aufräumst!« »Ich möchte, dass du herkommst!« »Ich möchte, dass du das unterlässt!«
    Kinder sind da viel klarer. Wenn sie etwas wollen, dann drücken sie das auch aus: »Ich will aber jetzt noch spielen!« Und nicht: » Ich möchte bitte noch spielen.« Kinder sind authentischer und verstecken sich nicht hinter SCHMEICHELEIEN UND SCHEINBARER HÖFLICHKEIT . Denn spätestens wenn das Kind der Bitte nicht nachkommt, stellt sich heraus, dass es sich gar nicht um eine Bitte gehandelt hat – und das Drama nimmt seinen Lauf.
Zweiter Akt: »Muss ich dir alles dreimal sagen?«
    Wenn Erwachsene diesen Satz hinausschleudern, mal gefährlich leise, mal mit sich aufbauendem Zorn in der Stimme, dann empfiehlt es sich, die Kinder anzuschauen, in deren Lächeln der Satz geschrieben steht: »Du sagst das heute noch zehnmal. Und machst es dann doch allein.« Aber bevor das geschieht, wird es erst noch laut.
Dritter Akt: »Oder muss ich jetzt wieder laut werden?«
    Auch diese hingezischte RHETORISCHE FRAGE bewirkt keine Handlungsänderung des Kindes. Sein breit grinsendes Gesicht verrät: »Tust du sowieso nicht. Du denkst an die Nachbarn, weil du nicht zum Gespött werden willst.« Oder das Kind lässt das übliche Gebrüll über sich ergehen, hält sich die Ohren zu oder schaltet »auf Durchzug«.
Vierter und letzter Akt: »Das wird Folgen haben!«
    Die Eltern stehen neben sich und wirken seltsam gespalten: Auf der einen Seite eine Mutter oder ein Vater, voller Wut und Zorn, sich mühsam unter Kontrolle haltend, auf der anderen Seite ein schreiendes Etwas, das Sätze für die Ewigkeit ausstößt: »Du bist nur noch frech!« »Ich koch dir nie mehr Essen!« »Du darfst nie mehr mit zu Oma!«
    Man wünscht, diese Sätze wären nie gesagt worden, sie würden sofort wieder in den Mund zurückkommen, so sehr ist man über sichselbst ERSCHROCKEN UND BESCHÄMT . Die Kinder stehen in solchen Situationen mit geöffnetem Mund vor ihren schreienden, die Contenance verlierenden Eltern. Und in die erschreckten Gesichtszüge der Kinder mischt sich die Gewissheit: »Gleich tut es ihnen leid, und ich darf, was ich will!«
Einen Ausweg finden
    Diesem Drama der »guten« Worte können Eltern wohl nicht immer entkommen, schon gar nicht an jenen Tagen, an denen sie nicht so gut »drauf« sind. Sind die Eltern die Hauptdarsteller, empfiehlt es sich, sich aufrichtig beim Kind zu entschuldigen. Denn dieses soll wissen, dass den Eltern das Gesagte leid tut und sie ihren Ausbruch bereuen.
    Doch viele Dramen können Eltern verhindern, indem sie klar und authentisch sind, zu sich und ihren Bedürfnissen stehen. Wobei klar und authentisch nicht heißt, lautstark anzuordnen und zu schreien, sondern ruhig und eindeutig zu sagen, was sie erwarten. Und zu sich und seinen Bedürfnisse zu stehen meint nicht, sich wie ein Oberbefehlshaber aufzuspielen und in den Kindern Bodentruppen zu sehen, die man nach Lust und Laune herumkommandieren kann, sondern »ICH« ZU SAGEN : »Ich möchte …« »Ich erwarte …« »Ich will nicht …«

»Nun mach schon,
wir wollen jetzt los!«
    Damit sie ihre Persönlichkeit entwickeln können, fordern Kinder von ihren Eltern, dass sie sich als authentische, unabhängige, sich abgrenzendende Erwachsene zeigen. Kinder wünschen sich diese Klarheit, weil sie ihnen Halt und Orientierung vermittelt. Das »Ich« setzt Grenzen, bietet allen Beteiligten Raum für eigenständige Gedanken, das »Ich« lässt los. Ein »Wir« dagegen bindet ein, es VERWISCHT GRENZEN , lässt keinen Platz für selbstständige Überlegungen, setzt eine vordergründige Gemeinsamkeit und Solidarität voraus. Deshalb ist es in vielen Situationen völlig unangebracht. Wenn der Lehrer vor die Schulklasse tritt und sagt: »Wir wollen jetzt anfangen!«, denken viele Schüler: »Du ja, aber ich nicht!« Oder wenn die Mutter
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