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Wie Sie reden, damit Ihr Kind zuhoert und wie Sie zuhoeren, damit Ihr Kind redet

Wie Sie reden, damit Ihr Kind zuhoert und wie Sie zuhoeren, damit Ihr Kind redet

Titel: Wie Sie reden, damit Ihr Kind zuhoert und wie Sie zuhoeren, damit Ihr Kind redet
Autoren: Jan-Uwe Rogge , Angelika Bartram
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das Essen auf den Tisch gebracht hat und ruft: »Wir wollen essen!«, dann kommt häufig keiner. Erst wenn sie laut bekundet: »Ich fange jetzt an!«, kommen alle angerannt.
Max kann prima trödeln
    Für Simone Schubert, die Mutter vom vierjährigen Max, wird jeder Morgen zur Geduldsprobe. Max ist ein Meister im Trödeln. Und immer wenn Simone schon am Rand der Verzweiflung ist und meint, es ginge nicht mehr schlimmer, setzt Max noch eins drauf.
    Am Telefon schüttet Simone ihrer Freundin Carla ihr Herz aus. »Wirklich Carla, wenn das so weitergeht, mutiere ich noch zu Rumpelstilzchen und raste vollkommen aus.«
    Carla, bodenständig und praktisch veranlagt, schlägt Simone vor: »Du musst mal raus aus deiner Bauklötzchenwelt. Morgen frühstücken wir zusammen und dann verordne ich dir einen Bummel in der Stadt.« Simone fallen alle möglichen Argumente ein, warum das nicht so einfach sei, aber Carla lässt keine Widerrede zu. Sie verabreden sich für den nächsten Tag.
    An diesem Morgen scheint Max zu spüren, dass seine Mama es besonders eilig hat, ihn in den Kindergarten zu bringen. Aber er weiß genau, wie er sie ausbremsen kann. Noch nie hat er seinen Haferbrei mit Früchten so langsam gegessen wie an diesem Tag. Und zwischendurch fallen ihm noch tausend Dinge ein, die er unbedingt tun muss. Immer wieder steht er auf.
»Wir wollen heute nicht trödeln«
    »Max, beeil dich, wir müssen in den Kindergarten!«, ermahnt Simone ihn mehrere Male. »Max, wir haben abgemacht, dass wir heute nicht trödeln.«
    Max zieht unwillig an seinem Pullover. »Will einen anderen anziehen.«
    »Nein, Max, wir ziehen jetzt keinen anderen Pullover mehr an. Wir essen jetzt schön unseren Haferbrei und dann fahren wir los. Ich hab dir doch erklärt, dass wir heute nicht so viel Zeit haben. Max, bitte, wir kommen nur wieder in Hektik. Trödel doch nicht so rum!«
    Aber Max übt sich weiter in der Kunst der Langsamkeit. Da klingelt es, und Carla steht vor der Tür. »Oh je, ist es schon so spät?«, erkundigt sich Simone gehetzt. »Wir haben mal wieder getrödelt. Max ist noch nicht fertig.«
    »Keine Panik, ich kann warten«, erklärt Carla und winkt Max kurz zur Begrüßung zu.
    Er sortiert gerade noch seine Spielzeugautos.
    »Max, wir müssen in den Kindergarten!«, ruft Simone wieder.
    »Ach so«, mischt sich Carla ein, »dann wird das doch nichts mit unserem Stadtbummel!«
    »Wieso?«, wundert sich Simone.
    »Na, wenn du auch mit in den Kindergarten musst.«
    »Ich?«
»Wir müssen in den Kindergarten!«
    Carla lächelt verschmitzt. »Das hast du jedenfalls gerade gesagt. ›Wir müssen in den Kindergarten‹, hast du gesagt.«
    »Na ja, das sagt man doch so«, verteidigt sich Simone.
    »Vielleicht trödelt Max ja deswegen so?«
    »Carla, so ein Quatsch! Ich sag das schon die ganze Zeit.«
    »Eben. Vielleicht denkt Max die ganze Zeit: ›Oh ne, jetzt kommt die auch noch mit in den Kindergarten. Habe ich denn nie Ruhe vor ihr?‹«
    Simone atmet tief aus, dann fängt sie an zu lachen. »Wir Mütter sagen das eben so. Ich meine … ich, ich sage das eben so«, korrigiert sie sich. »Aber ich verstehe, was du meinst.«
    Dann geht sie zu Max, kniet sich vor ihn hin, fasst ihn an den Händen und sieht ihm fest in die Augen: »Max, ich bringe dich jetzt in den Kindergarten und ich möchte, dass du nicht mehr trödelst.«
    »Is okay, Mami«, sagt Max. »Ich zieh schon mal meine Jacke an.«
    Simone wirft Carla einen erstaunten Blick zu.
    Die zuckt mit den Schultern. »Dass das so gut klappt, hätte ich selbst nicht erwartet.«
    »Auf jeden Fall ist es ein Anfang. Zu viel Gelabere bringt anscheinend nichts«, stellt Simone fest.
    »Laber, schnader, schaber, waber …«, scherzt Max.
    Simone und Carla schauen sich an und lachen.
    »Okay, dann ab jetzt in den Kindergarten!«, sagt Carla und klopft Simone Mut machend auf die Schulter. »Und dann lad ich dich zu einem Cappuccino bei Luigi ein.«
Über das »Ich«, das »Wir« und das »Man«
    Jüngere Kinder können mit einem unechten »Wir« oder anonymen »Man« nichts anfangen, weil sie den tieferen Sinn und die Bedeutung noch nicht verstehen. Außerdem – das zeigt die Geschichte von Max und seiner Mutter sehr deutlich – wollen es Kinder mit Erwachsenen zu tun haben, die »Ich« sagen, die zu sich und ihren Vorstellungen stehen. Dieses »Ich« hat nichts mit einer egozentrischen Sichtweise zu tun, in der sich alles nur um den Erwachsenen dreht. Dieses »Ich« verkörpert einen STANDPUNKT
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