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Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat

Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat

Titel: Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat
Autoren: Pierre Bayard
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hinterherrennen. Denn es geht weniger um die Wahrheit, die für die anderen bestimmt ist, als um die eigene, die einzig für den erreichbar ist, der die lästige Forderung, gebildet zu erscheinen, von sich weist, weil sie uns innerlich tyrannisiert und daran hindert, wir selbst zu sein.
     
     
     
       1 QB +
       2 QB +
       3 D AVID L ODGE ,
Schnitzeljagd.
Aus dem Englischen von Renate Orth-Guttmann, München 1985, S. 256
       4 Ibid.
       5 Ibid.
       6 Ibid., S. 257
       7 QB und VB −
       8 QB und VB ++
       9 EB ++
    10 D AVID L ODGE ,
Ortswechsel.
Aus dem Englischen von Renate Orth-Guttmann, München 1986, S. 117
    11 Ibid. S. 164f.
    12 EB ++
    13 UB −
    14 Ibid., S.165f.
    15 Als dritter Bibliothekstyp, den ich hiermit einführe, ist die
virtuelle Bibliothek
der mündliche oder schriftliche Diskussionsraum über Bücher. Sie ist ein wandlungsfähiger Teil der
kollektiven Bibliothek
einer jeden Kultur und situiert sich am Kreuzungspunkt der inneren Bibliotheken der jeweiligen Gesprächsteilnehmer.
    16 Ibid.

Zweites Kapitel
SICH DURCHSETZEN
    in dem Balzac beweist, dass es umso einfacher ist, seine Meinung über ein Buch durchzusetzen, als dieses kein fester Gegenstand ist, und dass man an dem Verwandlungsprozess der Bücher auch nichts ändern kann, wenn man sie mit einer tintenbefleckten Schnur umwickelt
    F INDET MAN DEN NÖTIGEN M UT dazu, besteht also überhaupt kein Grund, nicht offen zu sagen, dass man das eine oder andere Buch nicht gelesen hat, oder mit seiner Meinung hinter dem Berg zu halten. Dass man ein Buch nicht gelesen hat, ist schließlich der verbreitetste Fall und ohne Scham dazu zu stehen eine Vorbedingung, sich endlich für das zu interessieren, worum es wirklich geht, nämlich nicht um ein bestimmtes Buch, sondern eine komplexe Diskurssituation, die das Buch nicht so sehr zum Gegenstand hat, sondern aus der es vielmehr hervorgeht.
    Denn ein Buch bleibt nicht unberührt von dem, was in seinem Umfeld über es gesagt wird, es verändert sich ständig, sogar während eines Gesprächs. Diese Wandlungsfähigkeit des Textes ist die zweite große Unsicherheit, mit dem wir es im vieldeutigen Raum der virtuellen Bibliothek zu tun haben. Sie kommt noch zu jener hinzu, die wir eben untersucht haben – über die reale Kenntnis, die diejenigen über Bücher haben, die von ihnen sprechen –, und stellt ein entscheidendes Element für die Entwicklung angemessenerStrategien dar. Diese sind umso effizienter, wenn sie nicht von einem starren Bild feststehender Bücher ausgehen, sondern von wandlungsfähigen Situationen, in denen die Gesprächspartner, vor allem, wenn sie stark genug sind, ihren Standpunkt durchzusetzen, den Text selbst umzugestalten wissen.
    ∗
    Lucien Chardon, der Held aus
Verlorene Illusionen
[ 1 ], Sohn eines Apothekers aus Angoulême, träumt davon, den Adelstitel wiederzuerlangen, den seine Mutter, eine geborene de Rubempré, getragen hatte. Als er sich in eine Frau des lokalen Adels, Madame de Bargeton, verliebt, folgt er ihr nach Paris und lässt seinen besten Freund, den Drucker David Séchard, der seine Schwester Ève geheiratet hat, in der Provinz zurück. Aber er geht auch in die Hauptstadt, um dort in der literarischen Welt Karriere zu machen, und bringt seine ersten Texte mit, eine Gedichtsammlung mit dem Titel
Die Margeriten
[ 2 ] sowie einen historischen Roman,
Der Bogenschütze Karls IX
.[ 3 ]
    In Paris gerät Lucien an eine kleine Gruppe Intellektueller, die in der Verlags- und Pressewelt das Sagen haben, und entdeckt schnell, wie wenig die Wirklichkeit in dem Milieu, in dem Literatur und Kunst gemacht werden, mit seinen Illusionen übereinstimmt. Diese Wirklichkeit enthüllt sich ihm abrupt bei einem Gespräch mit einem seiner neuen Freunde, dem Journalisten Lousteau. Dieser ist in Geldnot und gezwungen,mehrere seine Bücher dem Buchhändler Barbet zu verkaufen. Bei manchen sind noch nicht einmal die Seiten aufgeschnitten, obwohl Lousteau einem Zeitungsdirektor versprochen hat, eine Besprechung zu schreiben:
    »Barbet betrachtete die Bücher und untersuchte dabei sorgfältig Schnitt und Einband.
    ›Oh, sie sind bestens erhalten‹, sagte Lousteau. ›Die Reise ist noch nicht aufgeschnitten, auch nicht der Paul de Kock, auch nicht der Ducange, auch nicht das da auf dem Kamin, die Betrachtungen über die Symbolik‹[ 4 ], ich überlasse es Ihnen, der Mythos ist so langweilig, daß ich es weggebe, um nicht Tausende von Würmern daraus hervorkriechen zu
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