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Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Titel: Das Siegel der Finsternis - Algarad 1
Autoren: Marcus Reichard
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    Die schäumende See brachte den Tod, aber keine Erlösung. Schwere Brecher fegten über das Deck der Lethis. Die Planken des Schiffs ächzten unter der Wucht der Wassermassen. Blitze erhellten einen bleigrauen Himmel, über den Wolken hinwegrasten. Die Segel des kleinen Zweimasters waren zerfetzt und flatterten im Wind. Lose Fässer und anderes Schiffsgut krachten gegen die Bordwand, die Taue der Takelage peitschten umher wie giftige Schlangen. Die Matrosen klammerten sich verzweifelt an irgendetwas, das Halt versprach; manche hatten sich mit Seilen an Mast oder Reling gebunden, um nicht ins tosende Meer gespült zu werden. Schon lange hatten sie es aufgegeben, das Schiff zu steuern oder die Fahrt zu beeinflussen. Die Lethis war dem Spiel der Elemente hilflos ausgeliefert.
    Nur ein Mann stand am Heck, den Mantel eng um sich geschlungen. Seine Rechte umfasste eine der Wanten. Breitbeinig, das Kinn nach vorn gereckt, als wolle er den Naturgewalten allein standhalten, wirkte er wie ein Baum, der dem Sturm trotzt. Eine zottige, graue Wolfsmähne umrahmte sein edel geschnittenes Gesicht, aus dem grüne Augen scharf und prüfend blickten. Ein kurz geschnittener Bart bedeckte sein kantiges Kinn, das von Willensstärke und Entschlusskraft zeugte. Er trug wallende Gewänder und einen Kapuzenmantel aus schwerem, edlem Stoff. An seiner Seite hingen ein mächtiges Schwert und eine silberne Flöte. Der unergründliche Blick desKriegers war in die Ferne gerichtet, auf ein fremdes Ufer hin. Dort, verhangen vom strömenden Regen, zeichneten sich im Flackern der Blitze die Umrisse von Hügeln und Bergen aus schwarzer Lava gegen den Horizont ab. Sie waren im Lauf der Jahr tausende durch die Schlacken von Vulkanen gebildet worden. In der Mitte des Eilands, erbaut auf dem höchsten der Vulkangipfel, stachen die Türme einer Festung in den Himmel. Aus ihren dunklen Fenstern und Rundbögen schien die Burg auf das im Meer treibende Schiff zu starren, einem stummen Totenkopf gleich, der sich am Leiden der Lebenden weidet.
    »Lord Iru!« Tarik, der Kapitän der Lethis, schwankte auf dem schaukelnden Deck heran. Mit seinem gedrungenen, stämmigen Körper erinnerte er an einen Bären, der sich unsicher einen Weg über die Bohlen erkämpft. Mit einer kräftigen Bewegung wischte er sich das nasse Haar aus den Augen. Seine breiten Hände zeugten davon, dass ihm das Handwerk des Matrosen vertraut war. Er musste seine Stimme erheben, um das Brausen des Sturmes zu übertönen. »Mein Fürst, wir können das Schiff nicht länger halten! Überall dringt Wasser ein, und Steuerbord sind wir leckgeschlagen. Wir müssen die Rettungsboote zu Wasser lassen!«
    Iru, der Oberste Feldherr des Ordens von Dan, starrte weiter unverwandt und mit steinernem Gesicht zu der Festung hinüber. »Kapitän Tarik, ich habe den Meledos nicht aus den Hallen Nagathas geholt, um ihn zwei Meilen vor der Küste der Todesinsel wieder zu verlieren«, knurrte er verbissen. »Viele Männer haben bei dieser Mission ihr Leben gelassen. Wir müssen ihn in Sicherheit bringen, koste es, was es wolle!«
    »Achest wird uns alle in den Tod treiben«, ächzte Tarik.
    Iru wandte sich seinem Kapitän zu und musterte ihn scharf. Gemeinsam hatten sie Schlachten und Kämpfe überstanden,schon oft dem Tod ins Auge gesehen. Tarik war stets ein treuer Weggefährte gewesen, auf den er sich verlassen konnte. Häufig war es nur seinem Mut und seinem Draufgängertum zu verdanken gewesen, dass sie überlebt hatten. Umso mehr erschreckten seine Worte Iru jetzt. Noch nie hatte Tarik eine solche Angst gezeigt.
    »Ihr habt Euch bereits in Achests Labyrinth der Verzweiflung verlaufen«, sagte Iru. »Achest lässt nichts unversucht, um das gestohlene magische Zeichen wieder in seine Gewalt zu bringen. Er möchte uns entmutigen und zwingen, aufzugeben. Aber sobald wir an Land gehen, wird er keine Gnade walten lassen. Ihr wisst, was das heißt: Seine Soldaten werden uns hinrichten, sobald sie den Meledos in Händen halten.«
    »Alles ist besser, als gegen einen Feind zu kämpfen, gegen den man sowieso nur verlieren kann«, gab Tarik zurück.
    Regentropfen strömten über sein Gesicht. Iru konnte nicht unterscheiden, ob Tränen der Verzweiflung darunter waren. Auch der Fürst von Dan spürte die Angst. Sie lauerte in seinem Geist wie eine tödliche Spinne. Wenn er nicht wachsam war, würde er sich in ihrem Netz der Hoffnungslosigkeit verfangen. Er wusste nur zu gut, dass es die dämonischen Kräfte des
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