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Wie man im digitalen Zeitalter richtig aufblueht

Wie man im digitalen Zeitalter richtig aufblueht

Titel: Wie man im digitalen Zeitalter richtig aufblueht
Autoren: Tom Chatfield
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Art von Freiheit ist verlockend; doch ist es nicht die einzige Zukunft, die ich online im Entstehen oder in der Tiefenstruktur der digitalen Ära eingebettet sehe. Trotz aller Mängel und Missbrauchsfälle besitzt die Welt heute ein nie da gewesenes, offenes und egalitäres System der Informationsverbreitung, das für die Massen zugänglich ist. Bis heute ist es niemandem und keiner Organisation gelungen, es zu kontrollieren, ebenso wenig, wie ein einzelner Dienst oder Trend – ganz gleich, wie stark sein Reiz oder seine Lobby auch sein mögen – es geschafft hat, sämtliche unserer digitalen Erfahrungen monopolistisch zu bündeln.
    Die Zukunft dieser Offenheit zu bewahren und sinnvoll mit ihr umzugehen ist eine Aufgabe für alle; eine Aufgabe, die eine neue Form von Beziehungen zwischen Regierungen, Bürgern, Unternehmen und Mitgliedsgesellschaften erfordert. Nicht alle profitieren auf dieselbe Weise. Mancherorts ist das Deck bereits grotesk überfüllt. Doch sind viele großartige Möglichkeiten noch im Entstehen begriffen.
    Wenngleich die digitalen Technologien zur reinen Zerstreuung der Privilegierten dienen können, erweisen sie sich doch bereits als Motor außergewöhnlicher Veränderungen für jene, die bisher am wenigsten Einfluss nehmen konnten: Sie bieten erstmals direkte Partizipationsmöglichkeiten in Nationalstaaten sowie eine Teilnahme an Handel, Kultur, Innovation und Gedanken.
    Diese Gemeinschaftsplattform zu begreifen und zu regulieren ist eine historische Herausforderung, die sich Millionen, ja, Milliarden von Akteuren mit zunehmender Dringlichkeit stellt. Doch sind gerade darin unsere größten Probleme und unsere besten Hoffnungen miteinander verbunden: in Online-Communities, Wissens- und Datenbanken oder inspirierenden Präzedenzen auf der ganzen Welt.
    Unser digitales Selbst mag außerordentlich verwundbar sein, aber gleichzeitig sind wir selten mehr als einen Mausklick von etwas oder jemandem entfernt, der uns helfen kann – wenn man weiß, wie man suchen und wen man fragen muss.
    Schließlich stellt sich die Frage nach unserem eigenen Wesen – und wohin uns unsere neuen Möglichkeiten der Stimulierung und Zerstreuung führen werden. Die Technologie kann Freude bringen und weltweit einen Weg zum Handeln aufzeigen; sie hat aber auch das Potenzial, sowohl einzelne Menschenleben als auch ganze Gesellschaften aus dem Gleichgewicht zu bringen. Um diesen Gegensatz produktiv nutzen zu können, müssen wir zwischen dem zahmen, begrenzten Schauplatz digitaler Freiheit und den oft undefinierten Problemen des Lebens selbst differenzieren. Das eine kann das andere nicht ersetzen, und keines von beidem bietet eine Patentlösung. Dennoch können wir viel darüber lernen, wie man zumindest einzelne Segmente unserer Welt zähmt und die Bürger von heute und morgen besser einbindet.
    All diese Argumente und Ansichten wurzeln in einer humanistischen Sichtweise – was meiner Meinung nach auch für alle Fragen des Erfolges gelten sollte. Wir sind der einzige Maßstab unseres eigenen Erfolges – und dieser Maßstab ist etwas, was sich nicht abschließend qualifizieren lässt.
    Vor über zweitausend Jahren benutzte Aristoteles das Konzept der Eudaimonie, um menschliches Gedeihen oder Gelingen zu beschreiben. Eudaimonie steht nicht für materiellen Erfolg oder körperliche Freuden, sondern für eine möglichst tugendhafte Lebensführung. Etymologisch besteht der Begriff aus zwei Worten, die so viel bedeuten wie »gut« und »Schutzgeist«; er impliziert somit einen Zustand, der jenem ähnelt, in welchem man von einer göttlichen Macht beschützt wird.
    Um das Wesen der Eudaimonie zu beschreiben, griff Aristoteles auf ein anderes, verwandtes Konzept zurück: Arete, die Tugendhaftigkeit. Um das Beste aus seinem Leben zu machen, sollte ein Mensch in den höchsten Formen des Handelns Meisterschaft erlangen. Laut Aristoteles sind diese die Tugend und die Vernunft: jene Eigenschaften, die den Menschen unter allen Geschöpfen einzigartig machen.

    Die Schule von Athen: nachhaltige Lektionen über ein ausgeglichenes Leben, und nicht ein einziger iPad in Sicht.
(Schule von Athen © SuperStock / Getty Images)
    Das Leben tugendhafter Kontemplation bietet für die meisten Menschen heute vermutlich keine befriedigende oder brauchbare Antwort auf die Frage nach dem »richtigen« Lebensstil. Und doch erscheint es in Hinblick auf den aktuellen und künftigen Stand der Technologie offenkundig, dass unsere bemerkenswertesten
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