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Wie man eine Lerche zum Singen bringt

Wie man eine Lerche zum Singen bringt

Titel: Wie man eine Lerche zum Singen bringt
Autoren: M. K. Bloemberg
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die sich dieser Wonne würde erfreuen können.
    Er drehte sich um und widmete sich erneut seinem Schreibtisch. Wo war er doch gleich stehengeblieben? Trübsinnig erinnerte er sich an die politische Lage am Ostrand des Reiches und wischte die Karte fort. Dann öffnete er den nächsten Brief. Ein weiterer seiner Agenten berichtete über einen Spion, der für Graf Charles von Meyzieu arbeitete. Er hatte ihn nicht enttarnen, doch in Erfahrung bringen können, dass die Berichte unter einer Baumwurzel beim Lustpavillon im Wald hinterlegt werden. Maximilien lächelte. Guter Mann! Dies würde ihm die Gelegenheit geben, den Spion zu enttarnen. Das einzige, was er tun musste, war, den Baum beim Pavillon zu beobachten, vorzugsweise nachts.
    Er griff wieder zu seinem Glöckchen und läutete, um die notwendigen Maßnahmen einzuleiten.
     

     
    D er oberste Hofmusicus Thibauld Bonnecoeur lauschte mit geschlossenen Augen den Klängen der Violine. Die kleine gräfliche Konzerthalle verfügte über eine vorzügliche Akustik und die traurigsüßen Töne füllten den Raum und die Seele des Hofmusicus. Mit einem Finger an der Unterlippe verharrte er und ergötzte sich an der kunstvoll vorgetragenen Musik, ohne sich zu rühren.
    Da! Ein Mißklang. Verärgert erbebten die Locken seiner gepuderten Perücke und ein Augenlid zitterte nervös. Wieso machte sie an dieser Stelle immer wieder den gleichen Fehler? Seine Züge glätteten sich und er lauschte wieder mit immer noch geschlossenen Augen der Fortführung des Violinenkonzerts. Gleich würde die Stelle kommen, an der ebenfalls immer wieder Probleme auftraten und die zweifellos noch schwieriger war als die leichte Hürde, an der sie soeben gescheitert war. Nun, er war kein Unmensch und würde ihr keinen Vorwurf machen, wenn sie diese zweite Hürde mit Bravour bestand.
    Die Klänge gerieten schleichend aus dem Ruder wie ein Orgiengast, der verzweifelt versuchte, nach Unmengen von süßem Wein seinen revoltierenden Magen unter Kontrolle zu bringen, nur um sich kurz darauf explosionsartig zu übergeben. Mit einem schrillen Mißton, der unangenehm lange in der kleinen Halle nachklang, endete abrupt das Konzert. Thibauld riss die Augen auf, schoss ruckartig von dem gepolsterten Stuhl hoch, ergriff seinen Taktstock mit dem kleinen, goldenen Knauf am oberen Ende, der am Stuhl angelehnt war, und stieß ihn verärgert auf den Boden, dass es laut knallte. Das zierliche Mädchen mit der Violine in der Hand zuckte sichtbar zusammen.
    Thibauld schritt auf sie zu und seine adlerförmig gebogene Nase stach in Richtung ihres Gesichts, als er sich bis auf wenige Zentimeter näherte.
    »Warum?«, fragte der Hofmusicus gefährlich leise.
    Das Mädchen blickte beschämt zu Boden. »Ich … ich weiß es nicht«, flüsterte sie scheu.
    »Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht!«, äffte er sie mit hysterischer Kastratenstimme nach, um dann in seinem normalen, eher krächzenden Tonfall fortzufahren. »Ihr seid mir von Eurem Vater als vielversprechendste Kandidatin für mein Orchester empfohlen und angepriesen worden. Danach sieht es momentan beileibe nicht aus«. Das Mädchen wurde noch kleiner und schien in den Boden kriechen zu wollen. Thibauld wich etwas zurück und strich dann beruhigend mit der freien, rechten Hand über das Haar des Mädchens, das gescheitelt zu beiden Seiten des hellen Gesichts in wunderschönen Locken herabrieselte während es auf dem Hinterkopf von einem kunstvoll geschlungenen Zopf gehalten wurde, der weit in den Nacken fiel.
    »Cloé, woran liegt es?«, fragte Thibauld nun mit mitfühlender Stimme. Er war bekannt für sein wechselhaftes Temperament, allerdings auch für seine Fähigkeit aus lediglich durchschnittlich begabten Musikerinnen die besten des Hofes zu formen, welche sogar die Aufmerksamkeit des Königs erlangten. Seine Methoden sollen jedoch ungewöhnlich sein, munkelte man allenthalben.
    Amüsiert beobachtete Thibauld, wie das Mädchen verzweifelt nach Antworten suchte, jedoch nicht nach Ausreden. Das gefiel ihm.
    »Mir fällt es schwer, mich so lange zu konzentrieren«, sagte Cloé und ihre Wangenröte harmonierte wundervoll mit dem gleichfarbigen Haar und der porzellanen Haut.
    Thibauld nickte verständnisvoll und mit einem innere Kichern registrierte er, wie Cloé erleichtert aufseufzte. »Dann werden wir an deiner Konzentration arbeiten, nicht wahr?«, schlug der Maître vor. Das Mädchen bemühte sich, eifrig zu nicken und Thibauld nickte ebenfalls. Er drehte sich
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