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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel
Autoren: Felicitas Mayall
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gesprungen! Ich muss das wissen! Ich kann Dinge voraussehen, die geschehen sind!»
    Alles andere hörte er sich einfach nur an; auf die Frage, warum er die beiden Frauen ermordet hätte, antwortete er nicht, sondern seufzte nur tief. Doch als Guerrini ihm ganz ruhig begründete, warum er Flavio-Rinaldo niedergestochen hatte, begann sein Gesicht zu zucken.
    «Er hat Ihren Code gewusst und sich mit Ihnen verabredet, obwohl das nicht üblich war. Und ich nehme an, dass er Sie bedroht hat, Signor Bertolucci. Er hat Ihnen mit der Polizei gedroht, nicht wahr?»
    Bertoluccis Gesicht war kalkweiß, doch kein Redestrom brach aus ihm hervor. Er senkte den Kopf und bat beinahe unterwürfig um einen Anwalt.
    Die andern waren gesprächiger, wollten offensichtlich ihren Hals retten, schoben alle Schuld auf Bertolucci. Er war der große Organisator des Transfers. Sie nur seine Helfer, ganz unbedeutende natürlich.
    «Hatten Sie Sex mit den Frauen, die nach Deutschland geschleust wurden?»
    «Nun   …», der kleine Kellner Alberto wand sich, wischte seine feuchten Handflächen an seinen Hosenbeinen ab, zupfte an dem schmalen Bärtchen.
    «Nun?», fragte Guerrini drohend.
    «Nun, ja   … ein bisschen. Das war so ausgemacht   … es war wirklich nichts dabei! Sex ist doch nicht strafbar, oder? Bertolucci hat gesagt, dass es ihre Fahrkarte in die Freiheit ist, wenn sie uns ein bisschen Spaß bereiten. Die meisten haben ja mitgemacht, waren sowieso alles Nutten, gab fast nie Schwierigkeiten   … ich habe ihnen auch Kaffee gebracht und was zu essen. Sie hatten wirklich eine ganz bequeme Reise im eigenen Abteil – immer im eigenen Abteil!»
    Laura steckte die rechte Hand in die Tasche ihrer Lederjacke, spürte wieder das Messer, umfasste es.
    «Warum hat Bertolucci dann eine Frau erschossen und eine aus dem Zug geworfen?», fragte sie scharf.
    Alberto Brioni zuckte zusammen.
    «Nie, niemals hat er das getan! Das waren die andern! Die Menschenhändler, denen wir die Frauen entrissen hatten! Ja! So war es! Bertolucci hat es gesagt! Kerle in schwarzen Overallsmit Maske! Ich habe einen von ihnen gesehen, dachte schon, dass er mich umbringen will!»
    «So!», sagte Laura. «Und warum haben Sie diese Aussage nicht bei Ihrer Vernehmung hier in München gemacht?»
    Er biss sich auf die Unterlippe, sein Blick irrte verzweifelt durch den kleinen Raum.
    «Weil die gefährlich sind, Signora Commissaria. Bertolucci hat gesagt, dass die jeden umbringen, wenn man auch nur ein winziges bisschen verrät!»
    «Bertolucci dies, Bertolucci das!», warf Guerrini ein. «Soll ich Ihnen verraten, was Bertolucci heute Abend im Eurocity anhatte, als er die Commissaria überfiel? Er trug einen schwarzen Overall und eine schwarze Gesichtsmaske! Und er hatte eine Pistole mit Schalldämpfer in der Hand.»
    Der Kellner schüttelte den Kopf.
    «Nein», flüsterte er. «Nein!»
    «Doch!», sagte Guerrini. «Castelli und Sie haben ihn gedeckt, weil er Sie in der Hand hatte. Es gibt kaum etwas Besseres, um andere Menschen zu erpressen, als verbotenen Sex, Signor Brioni! Das sollten Sie sich für die Zukunft unbedingt merken!»
    Brioni schrumpfte, sagte fortan gar nichts mehr. Als er das Zimmer verlassen hatte, fragte Laura, ob Baumann nicht Castelli übernehmen könnte. Zusammen mit Commissario Guerrini, denn Castelli sprach Deutsch und Italienisch. Sie selbst wollte sich um Anita und Clara kümmern. Die beiden Männern wechselten einen ernsten Blick, nickten dann. Castelli wurde hereingeführt, als Laura hinausging. Er sah sie nicht an.
     
    Langsam folgte sie dem langen Flur zum Lift, empfand den Boden als zu glatt und hart, ihre Knochen als zerbrechlich,schob diese Gedanken auf das Virus und das Leben als solches. Was wäre, wenn Bertolucci mehr Glück bei seinem Angriff auf sie gehabt hätte? Was, wenn sie zugestochen hätte? Sie hielt das Messer noch immer in ihrer rechten Hand.
    Ich werde es aufbewahren, dachte sie. Es wird mich an meine eigene kalte Mordlust erinnern. Gut, solche Dinge zu wissen, bewahrt vor moralischer Arroganz. Aber ich werde der Madonna eine Kerze stiften, dafür, dass sie mich vor dieser Tat bewahrt hat.
    Laura fuhr zwei Stockwerke höher und setzte sich in ihr Büro, ohne Licht, wie sie es häufig machte, versuchte die Ereignisse in ihrem Kopf zu sortieren. War Natali Petrovic aus dem Kreis der Verdächtigen ausgeschieden? Es sah so aus, als hätte sie wirklich Interesse an der Aufklärung der Morde gehabt. Und Pier Paolo? Wo passte der
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