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Wie Inseln im Strom

Wie Inseln im Strom

Titel: Wie Inseln im Strom
Autoren: Kathleen O`Brien
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betrachtete die Poster mit Skiläufern, die Berghänge hinabrasten, und großen roten Kreuzfahrtschiffen vor exotischen Inseln. Sie trug ein locker sitzendes blaues Sommerkleid. Ihr Haar war offen und fiel ihr auf die Schultern. Selbst von hinten war Lacy die schönste Frau, die Adam jemals gesehen hatte.
    Einen Moment lang saß er reglos am Steuer, mitten auf der Straße, fasziniert von ihrem Anblick. Fragen über Fragen schossen ihm durch den Kopf. Wie sollte er es schaffen, die Dinge auszusprechen, die ihm auf der Seele brannten? Würde sie bereit sein, ihn auch nur anzuhören – geschweige denn ihm zu glauben?
    Hinter ihm hupte jemand, weil sein Wagen die Straße versperrte. Lacy drehte sich um und sah ihn. Hastig fuhr er in die nächste Parklücke. Würde sie vor ihm davonlaufen?
    Sie tat es nicht. Obwohl er endlose zwei Minuten brauchte, um einzuparken und zurückzulaufen, stand sie noch immer vor dem Reisebüro, den Plastikbehälter mit ihrem Salat in den Händen. Er hatte sich mindestens ein Dutzend überzeugende Einleitungen überlegt, doch als er in ihre großen graublauen, von tiefen Schatten umgebenen Augen schaute, fiel ihm keine einzige mehr ein.
    “Hi”, sagte er nur und starrte verlegen auf die Poster im Schaufenster. “Willst du verreisen?”
    Ihr Blick war ausdruckslos. “Ja. In ein paar Tagen gehe ich von hier weg.”
    Er spürte, wie sich in ihm etwas zusammenkrampfte, als er sich ausmalte, wie er es von Tilly erfahren hätte. “Sie ist fort”, hätte Tilly gesagt. “Gestern. Und niemand weiß, wo sie ist.” Er stellte sich die Panik, den Zorn auf sich selbst und die Verzweiflung vor, mit der er nach ihr gesucht hätte.
    Hatte sie sich vor zehn Jahren genauso gefühlt?
    “Wohin willst du denn?”, fragte er.
    Sie sah ihn an. Das geht dich nichts an, sagte ihr Schweigen, auch wenn sie es nicht aussprach.
    “Lacy.” Das durfte er nicht zulassen. Welches waren die Zauberworte, mit denen er sie daran hindern konnte? “Lacy, ich habe dich gesucht, weil ich dir sagen will, dass es mir leidtut.”
    “Was tut dir leid?”
    “All die dummen grausamen Dinge, die ich dir an den Kopf geworfen habe.” Er schüttelte den Kopf, als könne er es ungeschehen machen. “Es tut mir so leid, Lacy. Wirst du mir jemals verzeihen können?”
    “Es gibt nichts zu verzeihen”, erwiderte sie kühl.
    “Doch, es gibt etwas.” Voller Entsetzen stellte er fest, dass sie, abgesehen von den tiefen Schatten an den Augen, wieder der Eisprinzessin glich, der er vor einem Monat bei der Versteigerung begegnet war. “Sehr viel sogar”, fügte er hinzu.
    Oh nein. Hatte sie sich etwa wieder in ihren Panzer zurückgezogen? Dieses Mal war er bestimmt dicker und undurchdringlicher als zuvor.
    “Ich war … schäbig. Alles, was du gesagt hast, ist wahr. Ich war selbstgerecht und scheinheilig. Ich hätte dir vertrauen sollen.”
    “Unsinn.” Ihr Griff um die Salatbox lockerte sich ein wenig. “Wir haben miteinander geschlafen, Adam, das ist alles. Das verpflichtet dich nicht dazu, mir zu vertrauen.”
    “Nein. Aber die Tatsache, dass ich dich liebe, tut es.”
    Sie gab einen leisen zynischen Laut von sich, bevor sie sich zum Gehen wandte. Verzweifelt griff er nach ihrer Hand.
    “Es ist wahr”, beteuerte er. “Bitte, hör mir zu, Lacy.”
    Sie riss sich nicht los, aber sie sah ihn auch nicht an. Es glich einem Waffenstillstand, mehr war es schließlich nicht. Aber es brachte etwas mit sich, das er dringend brauchte. Zeit.
    “Du musst mir glauben”, sagte er, obwohl er wusste, dass es nicht stimmte. Sie musste ihm keineswegs glauben. Wenn sie es vorzog, konnte sie einfach davongehen und für immer verschwinden. “Ich liebe dich, Lacy. Ich habe dich immer geliebt. Ich werde mir nie verzeihen, dass ich dich damals im Stich gelassen habe. Du bist durch die Hölle gegangen. Ganz allein. Und das war meine Schuld.”
    Sie sagte nichts, aber sie blieb stehen, und das machte ihm Hoffnung. Ihr Haar schimmerte in der Sonne. Vielleicht lag es nur am Abendrot, aber plötzlich erschien sie ihm nicht mehr ganz so kalt.
    Er konnte sich nicht an seine vorformulierten Verteidigungsreden erinnern, und das, was ihm einfiel, hätte nicht richtig geklungen. Vielleicht sollte er es trotzdem versuchen, Wort für Wort, Satz für Satz, je nachdem, wie sie reagierte. Vielleicht würde sie spüren, dass er es ehrlich meinte und alles von Herzen kam.
    “Es war dumm von mir, dich vor zehn Jahren zu verlassen”, fuhr er fort. “Schlimmer
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