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Wie Inseln im Strom

Wie Inseln im Strom

Titel: Wie Inseln im Strom
Autoren: Kathleen O`Brien
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was sie angerichtet hatte. Dann schaute sie ängstlich zur Tür, als würde sie damit rechnen, dass ihr Vater wutschnaubend hereingestürmt kam. “Oh mein Gott”, wiederholte sie flüsternd.
    Aber Malcolm war fort. Niemand würde sie wegen ihrer Ungeschicklichkeit tadeln.
    Mit einem tröstenden Lächeln bückte Lacy sich nach den Splittern. Obwohl die Flasche in tausend Stücke zerborsten war, war das Schiff auf wundersame Weise heil geblieben. Vorsichtig hob Lacy es auf, und ihr wurde bewusst, dass sie zum ersten Mal bewundern konnte, was für ein zartes und schönes Kunstwerk es war.
    Zum ersten Mal war es frei.
    Wie symbolisch, dachte Lacy und strich mit einer Fingerspitze über die winzigen aufwendig gestalteten Masten und die naturgetreuen Segel, die sich im Wind bauschten. Die Flasche hatte das Schiff nicht geschützt. Sie hatte es nur gefangen gehalten.
    Das Telefon läutete noch immer. Über Gwen hinweg, die die Glassplitter aufsammelte, griff Lacy nach dem Hörer.
    “Hallo?”
    “Spreche ich mit Mrs. Morgan?”
    Lacy erkannte die feine wohlklingende Stimme sofort. Es war Claire Scott Tyndale. Sogar Winston, ihr Cockerspaniel, war im Hintergrund zu hören.
    “Ja.” Vorsichtig stellte sie das Segelschiff auf den Kaminsims, den Bug nach vorn. “Hallo, Claire. Ich bin sehr froh, dass Sie anrufen.”
    Es gab eine kurze Pause. Die Leitung knackte mehrmals. “Fast hätte ich es nicht getan”, gestand Claire schließlich so offen, wie es ihre Art war. Sie war Tilly sehr ähnlich. “Ich war mir nicht sicher, ob ich es tun sollte. Ich bin mir noch immer nicht sicher. Aber ich habe lange nachgedacht. Und falls Sie es immer noch für eine gute Idee halten, würde ich Mrs. Barnhardt gern kennenlernen.”
    Ob sie es für eine gute Idee hielt? Es war die beste. Lacy wusste, wie sehr Tilly sich freuen würde.
    “Mrs. Morgan? Glauben Sie, dass Mrs. Barnhardt mich noch immer sehen möchte?”
    “Tilly”, verbesserte Lacy aufmunternd. Zum ersten Mal seit zwei Tagen breitete sich in ihr ein echtes Glücksgefühl aus. “Niemand nennt sie Mrs. Barnhardt, Claire. Schon gar nicht ihre eigene Enkeltochter.”
    Lacy war nicht in ihrem Büro im Krankenhaus. Von Kara Karlin erfuhr Adam, dass er sie knapp verfehlt hatte. Sie wollte kurz zu Tilly und sich dann etwas zu essen besorgen.
    Als er wenig später bei der alten Lady eintraf, erklärte Tilly ihm, dass Lacy hier gewesen, aber schon wieder fort war. Offenbar wusste sie, was zwischen ihm und Lacy geschehen war, denn sie war ungewöhnlich frostig. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie ihm verriet, dass Lacy zur Druckerei wollte.
    Es kostete Adam weitere fünf Minuten, bis er Tilly davon überzeugt hatte, dass er nichts Böses im Sinn hatte. Endlich taute sie auf und erzählte ihm, dass die Druckerei an der Hauptstraße lag. Und dass Lacy sich oft im Geschäft nebenan einen Salat holte. Es sei denn, es war nach neun und das Geschäft schon geschlossen. In dem Fall probierte sie es meistens beim Chinesen, und der befand sich …
    Adam schaute auf die Uhr. Halb neun. Er dankte Tilly, küsste sie auf die Wange und eilte zu seinem Mietwagen, der mit laufendem Motor in der Einfahrt stand. Wenn er Seitenstraßen nahm, würde er sie vielleicht noch erwischen.
    Um diese Uhrzeit wirkte die Stadt besonders malerisch. In den Schaufenstern gingen die ersten Lichter an. Die altmodischen Straßenlaternen flackerten vor dem tiefblauen Himmel, und die untergehende Sonne tauchte das Kopfsteinpflaster in einen goldenen Schimmer.
    Viele Geschäfte waren bereits geschlossen. Nur wenige Leute waren noch unterwegs, die meisten davon Jogger oder Paare auf dem Weg zum Abendessen in der Lost Horizon Tavern.
    Adam fuhr langsamer, um sich jeden Passanten genau anzusehen. Alte Ladys saßen auf den gusseisernen Bänken und ließen sich ein Eis schmecken. Zwei Teenager küssten sich leidenschaftlich in einem Hauswinkel. Ein Vater schob einen Kinderwagen mit zwei Babys. Drei Frauen, die den Feierabend wahrscheinlich mit eisgekühlten Drinks eingeläutet hatten, schlenderten fröhlich lachend heim.
    Aber wo war Lacy? Konnte Tilly sich geirrt haben? Was, wenn Lacy auf der anderen Seite der Insel war, oder bei sich zu Hause, und nicht ans Telefon ging? Frustriert schlug er mit der flachen Hand aufs Lenkrad. Tilly würde ihn doch nicht absichtlich auf eine falsche Fährte schicken, oder? Zur Strafe? Sie musste doch wissen, dass er nur …
    Und dann sah er sie.
    Sie stand allein vor dem Reisebüro und
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