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Wie ich Schriftsteller wurde

Wie ich Schriftsteller wurde

Titel: Wie ich Schriftsteller wurde
Autoren: Norbert Golluch
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Teil mal
nach, wer was geschrieben hat und mit welcher Auflage es sich verkaufte.
     
    Verkaufen sei nicht alles, erklärt mir Hermann Onno von
Heimeran, der Vorsitzende des Vereins, geistige Elite hatte noch nie einen
großen Kundenkreis, auf Absatzzahlen kommt es schon gar nicht an. Mir fällt
ein, dass Benno mir gestern verkündet hat, Dieter Moor sehe aus wie eine
Kreuzung aus Frankensteins Monster und Roger Willemsen. Ich suche nach einem
ähnlichen Vergleich für Hermann Onno von Heimeran. Das Ergebnis eines
Genversuchs, an dem die DNA von
Giovanni
di Lorenzo und Dirk Bach beteiligt war?
     
    Die Sitzung wird eröffnet, die Neuwahl des Vorstands steht
an. Geheime Wahl, jeder tritt mit bedeutendem Blick hinter einen Vorhang und
füllt einen Wahlschein aus. Ich nicht, ich habe noch den Mitgliedsantrag in
Arbeit. Auszählung der Stimmen, ein Typ mit Glatze und Wim-Wenders-Brille siegt
mit zwei Stimmen Vorsprung. Er und sein schärfster Konkurrent, ein Späthippie
mit Zopf und Woody-Allen-Brille, streiten sich wie die Kesselflicker, man
vermutet und unterstellt einander Wahlmanipulationen.
     
    Der Unterlegene geht, wirft krachend die Tür ins Schloss.
Thema beendet, von nun an geht es um die Tagesordnung. Alle sagen iiih-Book ,
möglicherweise um ihrer Abneigung Ausdruck zu verleihen, sind aber zugleich
fasziniert von den Möglichkeiten, statt 24 vielleicht 36 Kopien ihrer Werke an
potenzielle Leser bringen zu können. Ich zerreiße meinen Mitgliedsantrag und
verabschiede mich formlos.

Wortgefecht im Klostergarten
    Das Kloster hat von sich hören lassen. Hocherfreut werfe ich
das Nötigste in meinen Volvo und fahre hin – ein Augustiner-Kloster irgendwo im
Spessart will mich aufnehmen. Der Empfang ist herzlich, ich treffe gleich sechs
der Mitglieder des „Bundes Freier Schriftsteller – kreatives Schreiben“ wieder.
Alle tragen einen bedeutungsschweren Blick irgendwo zwischen innerer
Zerrissenheit und poetischer Erkenntnis, reden aber nicht miteinander,
jedenfalls nicht über ihre Projekte, denn wie leicht könnte ihnen jemand ihre
geniale Idee stehlen und einen Bestseller schreiben. Ich ziehe mich allein mit
keiner Idee in den Klostergarten zurück. Sitze dort zwei oder drei Stunden in
stiller Betrachtung. Habe mehrere Visionen erotischer Art, aber keine Offenbarung.
Als die Dämmerung herein bricht, ziehe ich mich in meine Zelle zurück. Dort
erwartet mich ein Sektcocktail zur Begrüßung. Eigentlich hatte ich mir
Erleuchtung in der Askese gewünscht. Auch das Abendessen erfüllt meine
Erwartungen nicht. Ein Vier-Gänge-Candlelight-Dinner, untermalt von
mittelalterlicher Musik eines etwas gequält wirkenden Barden mit einer
Drehleier. Habe nachher Magenkrämpfe.
     
    Wenigstens das Bett kommt meinen Vorstellungen nahe; es ist
mehr als hart, ich schlafe grottenschlecht. Wenn jetzt wenigstens noch das Frühstück
spartanisch ausfiele!
     
    Frühstücksbuffet, eine Zusammenstellung unzähliger
Lebensmittel, mit Myriaden von Kombinationsmöglichkeiten. Ich esse etwas Lachs
mit Kaviar, schließlich will ich mich ja auf das Wesentliche konzentrieren. Die
Schriftstellerkollegen frühstücken schweigsam, den Kopf leicht schräg, den
unbestimmten Blick auf ein von mir nicht zu ortendes kosmisches Bezugssystem
gerichtet. Ich höre nur Wortfetzen.
     
    „Hast du den toten Punkt überwinden können? Fließt es
wieder?“
     
    „Ich komme da nicht weiter, ich gehe das, glaube ich, noch
einmal ganz neu an … neue Charaktere, ein neuer Spannungsbogen, insgesamt mehr
schöpferische Höhe …“
     
    Mir fällt wieder ein, warum ich hierher gekommen bin. Zurück
in der Zelle, schließe ich meinen Laptop an, logge mich ins Netz ein und checke
meine Mails. Habe ein frustrierendes Zeitschleifen-Erlebnis: Gestern saß ich zu
Hause vor meinem Notebook und hatte keine Idee, wo ich anfangen sollte – genau
wie hier und heute. Keine göttliche Eingebung. Wenn ich selbstkritisch bin,
muss ich sagen, dass ich hier eigentlich noch um eine Idee ideenloser bin als
zu Hause. Warte gut eine Stunde auf die Wirkung der magischen Ausstrahlung des
esoterisch aufgeladenen Ortes. Komplettiere dann die Zeitschleife, in dem ich
genau wie gestern auf www.9gag.com herumsurfe. Überlege immerhin, ob ich jetzt
mit meiner Facebook-Seite beginnen soll.
     
    Ich finde schließlich noch gute Unterhaltung, als ich
bemerke, dass sich meine Schriftstellerkollegen unten im Klostergarten
gegenseitig vorhalten, die Ursache für die grassierende, geradezu
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