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... Wie Gespenster in der Nacht

... Wie Gespenster in der Nacht

Titel: ... Wie Gespenster in der Nacht
Autoren: Emilie Richards
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schlimm, wie du denkst.“
    „Ich weiß nicht einmal ihren Namen. Wenn ich in der Klinik anrufe, werden sie mir nur sagen, dass ich kein Recht habe, mich nach ihrem Zustand zu erkundigen.“
    Schweigend dachte Fiona über seine Worte nach, dachte an ihre eigenen Ängste. Ihr ganzes Leben hatte sie zurückgezogen verbracht, mit Unsicherheiten, die sie selbst heute, mit fünfundzwanzig, noch zu einem Kind machten. Als sie wieder sprach, klang ihre Stimme fest. Es schwang sogar eine Zuversicht darin mit, die sie bei Weitem nicht verspürte. „Dann fahren wir eben hin und bestehen darauf, dass sie es uns sagen.“
    „Ich werde dich nicht dorthin schleifen. Wenn ich fahre, dann fahre ich allein. Später, wenn …“
    „Wir fahren jetzt hin, Andrew, jetzt gleich. Und wir werden sie dazu bringen, uns zu sagen, wie es dem Mädchen geht. Denn du wirst weder heute Nacht noch sonst wann ein Auge zutun, solange du nicht weißt, wie es um die Kleine steht. Und ich übrigens auch nicht.“
    Andrew hatte Zweifel, so dicht und düster wie der Rauch am Unfallort. Welches seltsame Blatt hatte das Schicksal Fiona auf die Hand gegeben, gleich nachdem sie nach zwanzig Jahren wieder schottischen Boden betreten hatte? Sie mochte ja vorgeben, tapfer zu sein, aber sie wirkte, als könnte der kleinste Windhauch sie umwerfen. Sie hatte weder gegessen noch geschlafen, seit sie New York verlassen hatte. Mal ganz abgesehen davon, wie viel Überwindung es sie gekostet haben musste, überhaupt nach Schottland zu kommen … Die Reise hatte auf jeden Fall ihre letzten Kraftreserven aufgebraucht.
    Noch war es möglich, Glasgow zu umfahren und direkt auf Druidheachd zuzuhalten. Es wäre allerdings ebenso möglich, den Plan zu ändern. „Bist du dir sicher, dass du das tun willst?“, fragte er. „Es ist keine Schande, wenn du das lieber nicht willst.“
    „Ich würde gerne wissen, wie es ihr geht.“
    „Ich hätte dich überhaupt nicht damit belasten sollen.“
    Sie schwieg so lange, dass er schon glaubte, sie würde nichts darauf erwidern. „Mein Leben lang hat man mich nicht belasten wollen“, sagte sie dann leise. „Ich wurde so beschützt und behütet, dass ich heute nicht einmal sicher sagen kann, wer oder was ich bin. Ich hatte darauf gehofft, dass das hier anders sein würde.“
    Hatte sie ihn eben zurechtgewiesen? „Es ist nur …“, setzte er an.
    „Es ist nur, dass ich als Kind selbst Brandopfer war und in derselben Klinik behandelt wurde“, fiel sie ihm ins Wort. „Und weil du ein mitfühlender Mann bist, willst du mir das ersparen. Aber das geht nicht, Andrew. Ich habe nichts von all dem vergessen. Es ist nicht so, als würden die Erinnerungen mich plötzlich einholen, wenn ich durch die Kliniktür gehe. Nein – sie sind allgegenwärtig. Und ich kann damit umgehen.“
    Es gab nichts, was Andrew noch hätte einwenden können.
    Er kannte sich gut in Glasgow aus. Wohl kaum jemand würde mit Überzeugung behaupten, Glasgow sei Schottlands schönste Stadt, aber mit Sicherheit war es die größte. Und hier floss eine Energie, die Andrew zusagte, hier herrschte eine Atmosphäre der Erneuerung, die sich bereits der schlimmsten Auswüchse der Stadt angenommen hatte. Er kam nach Glasgow, wenn er sich in der Welt der Kinos, Theater und Pubs verlieren oder auch einfach nur das geschäftige Treiben um sich herum genießen wollte. Doch heute machte ihm die Fahrt durch die Straßen keinen Spaß. Er zeigte auf keine Sehenswürdigkeiten, deutete auf kein Monument. Und als er den Wagen schließlich vor einem beeindruckenden viktorianischen Gebäude parkte, fiel ihm immer noch nichts ein, was er sagen könnte.
    „Wir gehen zusammen hinein“, sagte Fiona, ohne ihn anzuschauen.
    „Aye.“
    „Andrew, was immer mit ihr geschieht … du hast dein Bestes getan. Wie viele Männer hätten ihr Leben riskiert, wie du es getan hast?“
    „Hätte ich sie zuerst gefunden, hätte sie keine schweren Verbrennungen erlitten.“ Er hörte, wie Fiona scharf die Luft einsog. Er fühlte sich elend. Das hatte er nicht zugeben wollen.
    „Du hast die Überlebenden gerettet, so wie du zu ihnen kamst. Jeder hätte das so gemacht. Hättest du dir die Unfallstelle erst angesehen und überlegt, wem du zuerst hilfst, wäre dir vielleicht keine Zeit geblieben, überhaupt jemanden zu retten.“
    „Fast hätte ich sie gar nicht gesehen. Ich habe Panik bekommen. Hätte ich genauer hingeschaut …“
    „Wie kannst du nur so hart mit dir sein?“
    Er stieg aus und kam
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