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Wie Fackeln im Sturm

Wie Fackeln im Sturm

Titel: Wie Fackeln im Sturm
Autoren: Lynsay Sands
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konnte Juliana so etwas von mir denken?“
    „Wie konntest du denken, sie wäre dir untreu?“ erwiderte Willa und ließ sich erschöpft auf einem Stuhl nieder.
    „Ich … sie war wunderschön.“ Hilflos schüttelte er den Kopf. „Ihr Lachen war wie das Singen der Vögel, ihr Lächeln unvergleichlich. Ich wusste, dass sich jeder Mann auf den ersten Blick in sie verlieben würde. Doch Juliana schien nie wahrzunehmen, dass ihr die Männer hinterherliefen. Außer bei Thomas.“ Tiefes Missfallen verdunkelte seine Züge. „Mit Thomas konnte sie stundenlang reden. Sie sprachen über Dinge, die in jene Zeit zurückreichten, als ich sie noch nicht kannte. Immer wenn Thomas anwesend war, kam ich mir überflüssig vor, wie ein fünftes Rad am Wagen. Ich versuchte, meinen Unmut nicht Überhand nehmen zu lassen, aber Thomas kam so oft zu Besuch und schien immer da zu sein. Er war wie ein Geschwür an meinem Leib.“
    Bei dieser Wortwahl zuckte Willa innerlich zusammen. Unweigerlich musste sie an Hugh denken und malte sich aus, wie wütend er sein würde, wenn er erführe, dass sie sich an den Wachen vorbeigestohlen hatte, um genau den Mann aufzusuchen, den er für die Mordanschläge verantwortlich machte.
    Lord D’Orland trat unruhig von einem Bein aufs andere. „Garrod versuchte, meinen Argwohn zu zerstreuen. Gleichwohl ließ er durchblicken, auch ihm komme die Freundschaft zwischen Juliana und Thomas verdächtig vor, ohne dass ich meine Ängste laut äußerte.“
    „Thomas erzählte Papa – Lord Richard“, verbesserte Willa sich rasch und verspürte augenblicklich ein Schuldgefühl, als D’Orland bei der vertrauten Anrede zusammenzuckte. „Thomas erzählte seinem Vater, dass meine Mutter dich liebe. Lord Richard sagte, Thomas und meine Mutter hätten sich angefreundet, als sie beide als Kinder nach Claymorgan kamen. Immer hat er beteuert, die beiden seien sich nur in reiner Freundschaft zugetan gewesen.“
    Lord D’Orland starrte sie lange unverwandt an. In seinem Blick lagen tiefer Schmerz und auch ein wenig Verwunderung. Er machte einen Schritt auf sie zu und umfasste ihr Kinn mit einer Hand. „Du siehst ihr so ähnlich. Wenn du auch nicht ihre Haarfarbe hast, so würde ich beinahe glauben, du seiest ihr Geist, der gekommen ist, um mich für den Rest meines Daseins für mein törichtes Verhalten zu bestrafen.“ Er schaute ihr in die Augen und schenkte ihr ein dünnes Lächeln. „Weißt du, warum ich mir deine Mutter als Gemahlin gewünscht habe?“
    Willa schüttelte zaghaft den Kopf.
    „Ich habe deine Mutter zu Gesicht bekommen, als sie gerade sechs Jahre alt war. Sie begleitete ihre Eltern zu einem Turnier, an dem ich teilnahm. Juliana war ein liebliches kleines Geschöpf. Selbst in dem zarten Alter konnte man bereits erkennen, dass sie zu einer wunderschönen Frau heranreifen würde, aber das war es nicht, was mich an ihrer Erscheinung fesselte. Zu jener Zeit hatte ich einen jungen Pagen, ein schmächtiges Bürschchen, das nicht viel älter als die kleine Juliana war. Er war mir gerade erst anvertraut worden, war sehr unruhig und hatte die unglückliche Angewohnheit, sich in die Hosen zu machen, wenn ich ihn scharf anfuhr. Deine Mutter und ihre Eltern gingen damals zufällig an meinem Zelt vorbei, als ich den Burschen wieder einmal grob zurechtwies. Auch diesmal machte er sich in die Hose. Ich schalt ihn dafür und warf ihm vor, er benähme sich wie ein Kleinkind. Deine Mutter blieb stehen. Ihre Eltern hingegen gingen einfach weiter und merkten gar nicht, dass ihr Kind nicht mehr an ihrer Seite war. Juliana stand vor meinem Zelt und starrte mich so lange an, bis ich sie bemerkte. Als ich sie schließlich mit finsterer Miene musterte, tadelte sie mich, dass ich zu dem Jungen so gemein war.“
    Bei der Erinnerung hellte sich seine Miene auf. „Sie hatte überhaupt keine Angst vor mir, tadelte mich mit einer ungeahnten Leidenschaft und versuchte, meinem armen Pagen zu helfen. Dann klopfte sie dem Burschen auf die Schulter, sagte ihm, er brauche keine Angst zu haben, und eilte ihren Eltern nach. Sie war so mutig.“ Tränen traten in seine Augen. „Ich war ein gefürchteter und starker Kämpfer. Erwachsene Männer zitterten in meiner Gegenwart, doch dieses kleine Mädchen hatte den Mut, mich zu schelten. Während des Turniers ertappte ich mich dabei, dass ich sie die ganze Zeit beobachtete. Und jedes Mal malte ich mir aus, was für eine beherzte, ehrbare und liebenswerte Frau aus ihr werden würde.
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