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Wie Fackeln im Sturm

Wie Fackeln im Sturm

Titel: Wie Fackeln im Sturm
Autoren: Lynsay Sands
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mich, um nachzusehen, ob es Euch an irgendetwas fehlt, Mylady.“ Die Kammerzofe klang überfreundlich und zuvorkommend, was Willa umso mehr verdross.
    „Es fehlt mir an nichts.“ Willa wusste, dass sie abweisend wirkte, aber daran war nun mal nichts zu ändern. Sie war schlecht gelaunt, was wiederum gar nicht ihrem Wesen entsprach. Für gewöhnlich hatte sie das sonnigste Gemüt. Vielleicht beeinträchtigt die Schwangerschaft doch meine Laune, überlegte sie, verdrängte die Vermutung indes sofort wieder.
    „Seid Ihr sicher, dass ich nichts für Euch tun kann?“
    Das Mädchen hatte sich halb zum Gehen gewandt, als Willa plötzlich fragte: „Weißt du, ob Lord D’Orland inzwischen am Hof eingetroffen ist?“
    „Ja, er ist hier.“ Die junge Zofe lächelte, denn sie freute sich, zumindest für eine Auskunft gut zu sein. „Er traf gestern Morgen hier ein. Kennt Ihr ihn, Mylady?“
    „Nein“, räumte Willa unglücklich ein; dann fasste sie das Mädchen scharf ins Auge. „Du etwa?“
    „O ja.“ Die Augen der Kammerzofe weiteten sich vor Ehrfurcht. „Er zählt zu King Johns besten Kämpfern.“
    „Tatsächlich?“ Willas Berechnungen zufolge musste ihr Vater beinahe sechzig Jahre alt sein. „Aber er zieht doch gewiss nicht mehr in die Schlacht?“
    „Doch.“ Das Mädchen schien mit einem Mal betrübt zu sein. „Es ist das gebrochene Herz, das ihn immer wieder in den Kampf treibt.“
    „Das gebrochene Herz?“
    Das Mädchen nickte. „Jeder kennt die traurige Geschichte. Er liebte seine Gemahlin über alle Maßen, aber sie starb mit ihrem Kind vor nunmehr zwanzig Jahren. Seither hat Lord D’Orland sich in eine Schlacht nach der anderen gestürzt. Manch einer glaubt, dass er den Tod sucht, um zu seiner geliebten Gemahlin zurückzukehren, aber der Allmächtige hat ihn noch nicht zu sich gerufen.“ Traurig schüttelte sie den Kopf. „Wenn er nicht in die Schlacht zieht, weilt er häufiger hier am Königshof als auf D’Orland Castle. Die Leute sagen, er kann die düsteren Erinnerungen nicht ertragen, die seine Burg heraufbeschwört. Er ist ein sehr freundlicher Mann. Alle Bediensteten freuen sich, wenn sie ihm dienen dürfen.“
    „Ich verstehe“, murmelte Willa, aber das Mädchen war offenbar noch nicht fertig.
    „Einer der Diener teilte mir mit, dass Lord D’Orlands Knappe behauptet, sein Herr schlafe nur selten. Er sagt, sein Herr werde von furchtbaren Albträumen heimgesucht, sobald er schläft, und dann soll er im Schlaf um sich schlagen und verzweifelt nach seiner verstorbenen Frau rufen. Er fleht sie an, ihm zu vergeben, obgleich der Knappe nicht weiß, welche Schuld auf der Seele seines Herrn lastet.“
    Willa wusste es hingegen sehr genau, schwieg jedoch.
    „Habt Ihr noch einen Wunsch, Mylady?“ erkundigte sich die Zofe.
    „Ja.“ Willa erhob sich. „Ich brauche dein Kleid.“
    Die Kammerzofe schaute Willa erschrocken an und wich unwillkürlich zurück, doch schon eine Viertelstunde später hatte Willa Joanne – so hieß die junge Frau – das Gewand abgeschwatzt und in ihr Vorhaben eingeweiht.
    „Das wird schief gehen“, meinte Joanne klagend, als sie Willa dabei behilflich war, einen Stapel aufgefalteter Gewänder aufzuheben. Mit dem Stapel vor dem Bauch würde sie gewiss niemand in den Gängen erkennen.
    „Alles wird gut“, versicherte Willa ihr. „Du brauchst nur das zu sagen, was ich dir aufgetragen habe, und bleibst hinter der Tür stehen. Bist du bereit?“
    Das Mädchen nickte unsicher und schien immer noch seine Zweifel zu haben, als sie Willa durch den Raum folgte. Als sie die Tür erreichten, blieb Willa kurz stehen und holte tief Luft. Sie war im Begriff, sich der Bewachung der vier unfreiwilligen – und zudem unbegabten – Sänger zu entziehen.
    Hugh hatte den Männern eingeschärft, seine Gemahlin niemals aus den Augen zu lassen. Sie hatten ihren Herrn beim Wort genommen und waren Willa seit dem peinlichen Gang in den Wald überallhin gefolgt. Der einzige Ort, den sie ohne Bewachung hatte betreten dürfen, war das Zelt gewesen, und das auch nur deshalb, da Hugh den Getreuen befohlen hatte, um das Zelt herum Wachposten zu beziehen. Sowie sie den Königshof erreicht hatten, hatte Hugh ihnen aufgetragen, vor dem Gemach Wache zu halten, und daher wusste Willa, dass die Männer sich draußen auf dem Gang aufhielten. Wenn es ihr doch gelänge, die Wachen wenigstens für eine Weile abzuschütteln …
    Langsam atmete sie aus und rief dann laut und vernehmlich: „Sie
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