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Wie eine Rose im Morgentau

Wie eine Rose im Morgentau

Titel: Wie eine Rose im Morgentau
Autoren: Daphne Clair
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Tür. „Alles in Ordnung?“
    „Ja“, brachte sie schließlich heraus. „Einen Moment noch.“
    Sie drehte das kalte Wasser auf, trank einen Schluck, bespritzte ihr Gesicht und trocknete es ab. Als sie das Handtuch sinken ließ, sah sie ihre bleichen Wangen, die blutleeren Lippen und die dunklen Schatten unter den Augen im Spiegel.
    Denk nach, befahl sie sich. Sie hatte Bryn noch nie belogen. Und sie konnte sich nicht vorstellen, mit ihm zu leben und dieses schreckliche Geheimnis für sich zu behalten.
    Erneut starrte sie in den Spiegel und erinnerte sich daran, wie sie Bryn und Samantha am Nachmittag auf dem Parkplatz gesehen hatte. Die beiden hatten den gleichen Hintergrund und bewegten sich in der gleichen Welt. Zweifellos gehörte Samantha zu den Frauen, die ein großes Unternehmen leiten und gleichzeitig perfekte, gesunde und anständige Kinder großziehen konnte. Eine Frau, die ein Mann wie Bryn hätte heiraten sollen.
    Langsam hängte sie das Handtuch zurück und öffnete die Tür. Als Bryn die Hand ausstreckte, um sie zu stützen, zuckte sie zusammen. „Bitte fass mich nicht an.“
    Er runzelte die Stirn. „Ist wirklich alles in Ordnung? Vielleicht legst du dich besser wieder hin.“
    „Nicht nötig.“ Sie ging an ihm vorbei, dann drehte sie sich wieder um, während sie die Hände ineinander verknotete. Bryn hatte seine in die Tasche gesteckt und wirkte sehr verwirrt.
    „Es … es tut mir so leid, Bryn“, begann sie. „Es ist so, dass ich …“, die letzten Worte waren nur noch ein heiseres Krächzen, „unsere Ehe beenden möchte. Ich will die Scheidung.“
    Einen langen Augenblick wirkte seine Miene wie versteinert, ehe er den Kopf schüttelte. „Die Scheidung?“ Er sah sie an, als sei sie der Leibhaftige. „Das kann doch nicht dein Ernst sein!“
    „Doch!“ Sie merkte, dass ihre Stimme zitterte und wiederholte fest: „Doch, es ist mein Ernst. Es war ein Fehler, ein dummer Fehler, dich zu heiraten und ich …“ Ihre Stimme brach. „Bitte vergib mir.“
    „Was zum Teufel redest du da eigentlich? Was habe ich dir denn getan?“
    „Nichts. Du bist ein wunderbarer Mensch.“
    „Und was ist dann um Himmels willen …“
    „Ich … ich dachte“, fuhr sie fort, ohne über ihre Worte nachgedacht zu haben, „dass Freundschaft und Sex“, sie schluckte, „ausreichen würden. Wir kennen uns schon seit einer Ewigkeit, und ich habe nie einen anderen Mann getroffen, den ich … hätte heiraten wollen. Vermutlich ist das Liebe, nicht wahr?“ Sie konnte sich ein spöttisches, trauriges Lachen nicht verkneifen. „Aber nicht die Art von Liebe, auf die man eine Ehe aufbaut.“
    Sie verdrehte die Wahrheit, indem sie seinen Beweggrund zu ihrem machte. „Es ist besser, jetzt zuzugeben, dass es ein Fehler war, ehe es zu spät ist.“
    Ungläubig sah er sie an. „Ist das wirklich dein Ernst?“
    Sie konnte nur nicken. Den Ausdruck, der auf seinem Gesicht lag, hatte sie noch nie zuvor bei ihm gesehen. Kalte Wut, Ungläubigkeit … und tiefes Misstrauen. Schließlich sagte er: „Es gibt jemand anderen.“ Als ob das eine gesicherte Tatsache wäre.
    Rachel wollte schon abstreiten, doch sie zögerte. Würde ihn das überzeugen? Sie senkte den Kopf und flüsterte: „Tut mir leid.“
    Mit zwei langen Schritten war er bei ihr und umklammerte ihre Schultern. „Wer ist es?“ Er sah furchterregend aus.
    „Niemand, den du kennst“, entgegnete sie. „Spielt das denn eine Rolle?“
    Er kniff die Augen zusammen und grub seine Finger in ihre Schultern, ohne sich dessen wohl bewusst zu sein. In gewisser Weise war sie froh um diesen Schmerz, der dieses Gefühl von Unwirklichkeit durchbrach, das sie wie eine unsichtbare Hülle umgab.
    „Sag mir, wer es ist“, forderte er. „Sein Name.“
    „Nein.“ Aber sie musste überzeugender sein. „Ich habe ihn an der Universität getroffen. Er ist auch Dozent. Aber nicht in meinem Fachbereich“, fügte sie hastig hinzu. Wenn Bryn näher nachforschte, würde er vielleicht …
    Ja, was denn eigentlich? Hatte er den Schock erst einmal überwunden, würde er sich wieder beruhigen und vernünftig sein. Bryn war immer einsichtig. Er hatte nicht wirklich die Absicht, ihren vermeintlichen Liebhaber aufzuspüren. Und sollte er es aus irgendeinem Grund doch versuchen, wäre es wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
    Plötzlich ließ er sie los. „Wie lange kennst du ihn schon?“
    „Nicht so lange, wie ich dich kenne“, sagte sie. „Aber schon eine ganze Weile. Ich
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