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Wie ein Wolf in der Nacht

Wie ein Wolf in der Nacht

Titel: Wie ein Wolf in der Nacht
Autoren: Jennifer Greene
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Fehler begangen. In Chicago war ihr die Idee großartig vorgekommen. Da sie zu arbeitswütig war, um sich dort zum Ausruhen zu zwingen, hatte sie sich einen Ort gesucht, wo ihr keine Wahl bliebe als genau das zu tun. Silver Mountain war ihr perfekt erschienen. Allerdings hatte sie sich nichts vorgevorgestellt, das so unzivilisiert war, dass es dort tatsächlich Bären und Wildkatzen gäbe - aber keine Einkaufszentren.
    "Da sind wir." Am Ende der Treppe angekommen, wies Cash darauf hin, dass ihr Zimmer das erste sei und nach Westen liege, und stellte dort das Gepäck ab. Danach öffnete er das Fenster und ließ einen weiteren Schwall beißend frischer Luft herein. "Diese Tür führt ins Badezimmer. Dinner wird gegen sechs Uhr serviert, also bleibt Ihnen etwas Zeit, sich zu entspann, auszupacken und sich ein wenig umzusehen. Falls Sie noch irgendetwas brauchen…“
    "Nein, wirklich. Ich bin okay."
    „Keine Fragen? Gefällt Ihnen Ihr Zimmer?"
    „Keine Fragen. Und das Zimmer ist fantastisch." Sie betrachtete bewundernd die Mahagonikommode und das Himmelbett mit der bunten Steppbettdecke und der dicken Matratze, offenbar Federkern. Allein das Bett bot genug Platz für drei Menschen ihrer Größe, wenn nicht für vier.
    Das Schlafzimmerfenster in ihrer Wohnung in Chicago, für die sie stolze zweitausend Dollar im Monat zahlte, führte nur auf ein anderes Schlafzimmerfenster in einer anderen überteuerten Wohnung in Chicago. Hier hatte sie einen Blick auf Berge, der so atemberaubend war, dass er auf einer Postkarte nicht echt wirken würde.
    "Lexie?" Als er sie mit der Hand an der Schulter berührte, fuhr sie herum, instinktiv dem Selbsterhaltungstrieb eines Stadtmenschen folgend, der sich von Fremden besser fern hielt.
    Cash McKay ließ sie sofort los, blickte sie aber verständnisvoll und voller Wärme an - und noch ein anderer Ausdruck lag in seinen Augen, der völlig unerwartet kam. Er war von Anfang an freundlich und entgegenkommend gewesen. Sein Verhalten war aber unpersönlich geblieben, genau so, wie sie es auch erwartet hatte.
    Dass er in ihr etwas anderes sehen könnte als in den anderen Großstadtpflanzen, die zu ihm kamen, wäre ihr nie eingefallen - bis sie jetzt plötzlich diesen Blick sah und seine Berührung spürte.
    "Sie fühlen sich wie ein Fisch auf dem Trockenen, nicht wahr?" fragte er sanft.
    "Ja." Es nützte nichts, das zu leugnen.
    "So ging es mir auch. Auch ich war einmal wie Sie, Lexie. Ich arbeitete so viel und so fanatisch, dass ich vergaß, zwischendurch Luft zu holen. Aber ich schwöre Ihnen, diese Berge haben eine magische Wirkung. Sie brauchen kein Naturfan zu sein, um davon zu profitieren.
    Wir beide haben das gleiche Ziel. Wir wollen Sie erst dann wieder nach Hause lassen, wenn Sie sich ausgeruht haben und Ihre Batterien neu aufgeladen sind. Okay?"
    "Okay." Sie hatte damit gerechnet, dass der nächste Monat eine Qual sein würde. Stattdessen war Cash McKay nicht nur freundlich und verständnisvoll, sondern hatte auch noch Sinn für Humor. Vielleicht würden die nächsten Wochen ja doch nicht so schrecklich werden, wie sie gefürchtet hatte.
    Sobald Cash gegangen war, öffnete Lexie ihre Koffer und Taschen, schleuderte die Sandaletten in die Ecke und machte es sich gemütlich. Wenige Minuten später hörte sie in der Ferne eine helle Kinderstimme kreischen, und sie ging zum Fenster, um nach dem Rechten zu sehen.
    Der Junge, der den Bergpfad heraufgehüpft kam und nach Cash schrie, hatte große Ähnlichkeit mit seinem Onkel. Er hatte Cashs hellbraunes Haar und die langen Beine. Er musste etwa acht Jahre alt sein, vielleicht neun, jedenfalls jung genug, dass es ihm völlig egal war, ob sein Haar windzerzaust war oder seine Jeans schmutzverkrustet.
    Genau unter ihrem Fenster sprang der Junge plötzlich hoch, offenbar darauf vertrauend, dass man ihn sicher auffing. Und tatsächlich war Cash da und wirbelte ihn so hoch in die Luft, als ob der Junge ein Fliegengewicht wäre.
    "Rate mal, Cash! Rate mal!" rief das Kind fröhlich.
    Cashs leises Lachen ertönte, beide senkten dann die Stimme und waren gleich darauf im Haus verschwunden.
    Ein paar Augenblicke konnte Lexie sich nicht vom Fenster trennen. Ein vertrautes Gefühl der Sehnsucht packte sie, das ihr das Herz schwer machte und ihr die Kehle zuschnürte. Cashs Stimme war so voller Liebe und Lachen gewesen, und so viel Vertrauen und Liebe hatten ebenso in der Stimme des Jungen gelegen.
    Ungeduldig seufzend wandte Lexie sich vom Fenster ab und
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