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Wie ein Hauch von Zauberblüten

Wie ein Hauch von Zauberblüten

Titel: Wie ein Hauch von Zauberblüten
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auf deutsch. »Ich kaufe. Will wiederkommen zu Doktor.«
    Das Gerippe stand stramm, knallte die Hacken der groben Lederschuhe zusammen und hob grüßend die Hand an die Stirn. »Für Gott, Kaiser und Vaterland!«
    Dr. Oppermann lachte, gab dem Alten einen Klaps auf die Schulter und ging zum Waschbecken. Er seifte sich gründlich ein, spülte mit heißem Wasser nach und trocknete sich an einem desinfizierten Handtuch ab. Durch die Tür des Nebenraumes schob sich jetzt ein runder, kahlgeschorener Schädel.
    »Master Doktor«, sagte Urulele. »Da hätten wir jetzt die Nummer 431! Soll sie kommen?«
    »In einer Minute.«
    Urulele zog sich zurück. »Der Doktor wäscht sich schon!« sagte er zu der geduldigen Herero-Frau. Sie hielt den brüllenden Jungen noch immer so fest, daß er die weiße Kreidezahl nicht verwischen konnte. Wenn man so etwas auf die Brust malte, mußte das große Bedeutung haben; vielleicht war es ein magisches Zeichen. Man konnte nicht wissen, ob es nicht doch Geister und Zauberer gab, auch wenn der Pastor in der Kirche predigte, dergleichen gebe es nicht, es gebe nur Jesus und einen Gott, der alles sehe und in Notfällen auch helfe. Man müsse nur an ihn glauben. Nun war das Kind krank, sie hatte es zu dem Pastor in die Kirche gebracht und gesagt: »Sag Gott, er soll jetzt helfen!« Was aber hatte der Pastor geantwortet?
    »Damit mußt du zum Doktor. Sofort! Du lieber Himmel, warum hast du solange damit gewartet?«
    »Ich habe gebetet!« hatte sie geantwortet. »Du hast es doch gesagt.«
    Der Pastor hatte daraufhin sofort Dr. Oppermann angerufen und das Kind als Notfall angemeldet. »Sie wird Ihnen erzählen«, sagte er mit belegter Stimme, »daß sie nicht zum Arzt gegangen ist, weil sie gebetet hat. Da kann man nichts machen; diese einfachen Menschen nehmen alles zu wörtlich. Zum Glück kommt so etwas sehr selten vor. Halten Sie mich auf dem laufenden? Sie werden verstehen, daß mich dieser Kleine besonders beschäftigt.«
    Die Herero-Frau sah Urulele wortlos an. Ihre schwarzen Augen über den vorspringenden Backenknochen drückten Geduld und Gehorsam aus. Urulele war ein Ovambo, aber er hatte sich zu einer Respektsperson emporgearbeitet. Geboren war er in Okaputa, einem kleinen Nest an der Straße nach Otavi und Tsumeb im Norden. Sein Vater arbeitete in einem Steinbruch in den Ausläufern des Waterberges; er besaß ein Haus, eine Kuh, neun Hühner und einen zahmen Schakal, mußte eine Frau, neun Kinder, einen Vater, eine Mutter, zwei Großväter und zwei Großmütter ernähren und war glücklich, als sein ältester Sohn eines Tages sagte: »Ich ziehe weg nach Windhoek und will etwas anderes lernen.«
    Damals war Urulele zwölf Jahre alt und sein Rufname war Tomba gewesen. Ein Autobus hatte ihn in die Schule nach Otavi abgeholt; dort hatte er lesen und schreiben, rechnen und singen gelernt und mit großem Interesse die spannenden, mit schauspielerischem Talent vorgetragenen Erzählungen des evangelischen Pastors angehört. Eines Tages hatte er zu dem Pastor gesagt: »Ich möchte auch das werden, was du bist.«
    Der alte Urulele, der zeit seines Lebens nur mit Mißtrauen die Geschichten von Jesus gehört hatte, gab um des lieben Sohnes willen nach, ließ sich und seine Großfamilie an einem Sonntag feierlich taufen und nahm zur Kenntnis, daß Tomba nun auch Marcus hieß.
    »Du wirst sehen, Vater«, sagte Marcus-Tomba mit altkluger Miene, »ich werde einmal ein großer Mann!«
    Es schien wirklich wahr zu werden. Marcus-Tomba wurde aufgrund seiner Intelligenz zur Weiterbildung nach Otjivarongo geschickt, wohnte dort in einem Jugendheim der Kirche, lernte Englisch und sogar Deutsch, bekam die Grundzüge der Mathematik eingehämmert, interessierte sich besonders für Chemie und hätte einmal beinahe das Jugendheim ausgeräuchert, mit einem Gas, das er sich in seinem kleinen Privatlabor im Keller zurechtgemixt hatte.
    Mit zwanzig Jahren kam er nach Windhoek ins Krankenhaus, um sich zum Krankenpfleger ausbilden zu lassen. Geduldig leerte er Bettpfannen und Glasenten, wusch die Kranken, machte die Betten, desinfizierte die Bettgestelle mit Lysol, rasierte die Toten, bevor sie eingesargt wurden, übernahm Nachtwachen für andere, die lieber im ›Thüringer Hof‹ oder im Hotel ›Kaiserkrone‹ tanzen gingen, kaufte sich von seinem noch spärlichen Lohn die deutschsprachige ›Allgemeine Zeitung‹ und das in Afrikaans erscheinende Blatt ›Die Suidwester‹, studierte die Monatszeitschrift ›S.W.A.
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