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Wie ein Hauch von Zauberblüten

Wie ein Hauch von Zauberblüten

Titel: Wie ein Hauch von Zauberblüten
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fragte er vorsichtig: »Bleibt das Mädchen bei uns, Herr Doktor?«
    »Ja. Ich habe sie aus Omaruru kommen lassen. Sie soll eine perfekte Sekretärin sein. Sie wird die Kartei und die Krankenblätter führen, die Laborberichte abschreiben und die Tagebücher. – Warum fragst du?«
    »Sie gefällt mir nicht!« sagte Urulele dumpf.
    »Das ist Geschmackssache.« Dr. Oppermann lachte und stopfte sich eine Pfeife. »Ich finde sie ausgesprochen hübsch.«
    »Das ist es ja«, sagte Urulele bedrückt. »Es wird Unruhe geben.«
    Da irrte er sich. Nkulele war eine mustergültige Sekretärin, ging allen Anfechtungen aus dem Weg, bekam keinen nächtlichen Besuch, schien auch in Omaruru keine Bindungen gehabt zu haben, und ging nur aus, wenn sie Veranstaltungen der katholischen Mission in Outjo besuchte. Sie war Katholikin, gehörte also zu einer Minderheit, denn Südwest war überwiegend evangelisch. Dort, im katholischen Missionshaus, schloß sie sich einer Handarbeitsgruppe an, sang in dem kleinen Kirchenchor mit und kochte auch ab und zu für den Kindergarten.
    Unruhe gab es nur bei Urulele. Seit sechs Monaten wußte er, daß Franziska Maria ihn liebte, und er selbst hätte sein Leben für sie hingegeben, wenn man es verlangt hätte. Dennoch wurde es nichts mit der Heirat, da Nkulele darauf bestand, daß sich Marcus seine Haare wieder wachsen ließ.
    »Ich heirate keine Glatze!« sagte sie unerbittlich. »Erst die Haare, dann die Hochzeit, dann bekommst du mich! An dieser Reihenfolge wird sich nichts ändern!«
    Man wird verstehen, daß Marcus Höllenqualen litt. Was sollte er tun? Die Haare wieder wachsen lassen? Drei Wochen hielt er durch, sah auf seiner Glatze die neuen Haare sprießen, hockte vor dem Spiegel und betrachtete die Stoppeln, fuhr mit den Fingern fast zärtlich über die Spitzen – aber das Schicksal wollte es anders. In dieser Phase der Kapitulation vor Franziskas Reizen überfiel ihn eine leichte Darmgrippe. Sie hatte den Nebeneffekt, daß sie Marcus, der vier Tage lang das Klosett blockierte, erschreckend schwächte. Er war entsetzt, als er beim Abladen eines Lastwagens, der neues Material gebracht hatte, eine Kiste nicht mehr halten konnte, die er sonst auf beiden Unterarmen davongetragen hätte.
    Für Urulele war der Grund seines Versagens klar: das Haar! Solange er eine Glatze trug, war er groß und stark wie der König von Siam im Film. Mit den ersten Haaren aber zerfielen auch seine Muskeln.
    Noch am selben Tag ließ er sich in Outjo wiederum eine Glatze rasieren und mit Fett einreiben. Franziska Maria sah ihn an, wölbte die Lippen vor und ließ ihn wortlos stehen. An diesem Abend ging sie mit einem anderen Mann aus, einem Ovambo von riesiger Größe, der als Lagerarbeiter bei einer deutschen Elektrofirma arbeitete. Urulele aber spürte zum erstenmal Mordgedanken und betete in der Nacht zu Gott, er möge den anderen Mann krank werden lassen, damit Urulele ihm eine Spritze geben konnte. Mit dieser Spritze wollte er, ganz legal, Rache nehmen. Man kann die Injektionsnadel so in den Muskel stechen, daß man nur einen leichten Stich verspürt, – man kann sie aber auch ins Fleisch hauen, daß man die Engel im Himmel singen hört.
    Die Sekretärin Nkulele spannte eine neue Karteikarte in die Schreibmaschine, rückte ihre glitzernde Brille zurecht, spreizte die Finger mit den langen, rotlackierten Nägeln und betrachtete mit dem neutralen Blick aller Arztsekretärinnen die Herero-Frau und ihr noch immer brüllendes Kind. Der Kleine mit der weißen Nummer auf der Brust hörte für einen Augenblick auf, als Dr. Oppermann vom Waschbecken zurückkam, sich die Hände abtrocknete und sagte:
    »Aber wer weint denn da? So ein kräftiger, kleiner Mann!«
    Er nahm der Herero-Frau das Kind ab, setzte es auf den Untersuchungstisch, zog die starke Deckenlampe am beweglichen Galgen zu sich heran und beleuchtete das Gesicht des Kleinen. Der Junge hob die Ärmchen, um das grelle Licht abzuwehren, aber Dr. Oppermann drückte sie wieder herunter. Mit einem Stieltupfer holte er etwas Eiter aus der rechten Augenhöhle und legte den Tupfer in eine Glasschale. Der Kleine brüllte wieder. Die Mutter stand regungslos daneben, nur das Zucken ihrer Augenlider verriet, daß sie keine Statue war.
    Schon der erste Eindruck, den Dr. Oppermann von dem Kleinen bekam, war deprimierend. Die rätselhafte Infektion, die sich zur Seuche ausbreitete, hatte auch hier ganze Arbeit geleistet: Beide Augen eiterten stark, waren entzündet und
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