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Wie ein einziger Tag

Wie ein einziger Tag

Titel: Wie ein einziger Tag
Autoren: Nicholas Sparks
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Schmutz als auch die Müdigkeit fortgespült.
    Danach kämmte er sein Haar zurück und schlüpfte in saubere verblichene Jeans und ein langärmeliges blaues Hemd. Er schenkte sich ein weiteres Glas Tee ein und ging auf die Veranda zurück, wo er sich, wie jeden Abend, niederließ.
    Er streckte die Arme aus, über den Kopf, dann zu beiden Seiten und rollte kräftig mit den Schultern, auch das eine alte Gewohnheit. Er fühlte sich gut, sauber und frisch. Seine Muskeln waren müde und würden morgen etwas schmerzen, doch er war zufrieden mit dem, was er an diesem Tag geleistet hatte.
    Er griff nach seiner Gitarre, dachte dabei an seinen Vater und wie sehr er ihm fehlte. Er schlug langsam einen Akkord an, stimmte zwei Saiten nach, schlug einen weiteren Akkord an. Dann begann er zu spielen. Sanfte Klänge, ruhige Klänge. Er summte eine Weile und fing erst, als die Dämmerung hereinbrach, laut zu singen an. Er spielte und sang, bis der Himmel vollständig dunkel war.
    Es war kurz nach sieben, als er die Gitarre zur Seite legte. Er nahm wieder in seinem Schaukelstuhl Platz und wiegte sich langsam vor und zurück. Und wie immer blickte er hinauf, sah den Orion, den Großen Bären, die Zwillinge und den Polarstern am Herbsthimmel schimmern.
    Er rechnete im Kopf seine Ausgaben zusammen, hielt dann inne. Er hatte fast seine gesamten Ersparnisse für das Haus aufgebraucht und würde bald eine neue Stellung suchen müssen. Doch er schob den Gedanken beiseite und beschloß, die restlichen Monate der Hausrenovierung zu genießen, statt sich Sorgen zu machen. Die Rechnung würde schon aufgehen, so wie immer. Außerdem langweilte es ihn, über Gelddinge nachzudenken. Er hatte schon früh gelernt, sich an den einfachen Dingen des Lebens zu erfreuen, an Dingen, die nicht käuflich sind, und es fiel ihm schwer, Menschen zu verstehen, die anders dachten und fühlten. Auch das war ein Charakterzug, den er von seinem Vater hatte.
    Seine Jagdhündin Clem kam herüber und beschnupperte seine Hand, bevor sie sich zu seinen Füßen niederließ. »He, Mädchen, alles in Ordnung?« Er streichelte ihren Kopf, und sie winselte zur Antwort, die sanften runden Augen auf ihn gerichtet. Bei einem Autounfall war ihr ein Hinterbein überfahren worden, doch sie konnte trotzdem noch ganz gut laufen und leistete ihm an ruhigen Abenden wie diesem Gesellschaft.
    Er war jetzt einunddreißig, nicht zu alt, doch alt genug, um einsam zu sein. Er war nicht mehr ausgegangen, seitdem er wieder hierher zurückgekommen war, hatte niemanden kennengelernt, der ihn interessierte. Es war seine Schuld, das wußte er. Es gab etwas, das einen Abstand zwischen ihm und jeder Frau entstehen ließ, die ihm näherkommen wollte, etwas, das er nicht glaubte ändern zu können, selbst wenn er es gewollt hätte. Und manchmal, kurz vor dem Einschlafen, fragte er sich, ob es sein Schicksal war, für immer allein zu sein.
    Der Abend blieb angenehm warm. Noah lauschte den Grillen und dem Rauschen der Blätter und dachte, daß die Laute der Natur wirklicher waren und tiefere Gefühle auslösten als Dinge wie Autos und Flugzeuge. Natürliche Dinge gaben mehr, als sie nahmen, und ihre Geräusche erinnerten ihn stets daran, wie der Mensch eigentlich sein sollte. Es hatte Zeiten gegeben während des Krieges, vor allem nach einem Großangriff, in denen er sich oft diese simplen Geräusche vorgestellt hatte. »Es wird dir helfen, nicht den Verstand zu verlieren«, hatte ihm sein Vater am Tag seiner Einschiffung gesagt. »Es ist Gottes Musik, und sie wird dich heil zurückbringen.«
    Er trank seinen Tee aus, trat ins Haus, holte sich ein Buch und machte, als er wieder nach draußen ging, das Verandalicht an. Er setzte sich und betrachtete das Buch auf seinem Schoß. Es war alt, der Deckel war halb zerfetzt, und die Seiten waren mit Wasser und Schmutzflecken übersät. Grashalme von Walt Whitman, er hatte den Band während der ganzen Kriegsjahre bei sich gehabt. Einmal hatte das Buch sogar eine für ihn bestimmte Kugel abgefangen.
    Er strich über den Einband, wischte den Staub ab. Dann schlug er das Buch aufs Geratewohl auf und begann zu lesen:
    Dies ist deine Stunde, o Seele, dein freier Flug in das Wortlose, Fort von Büchern, fort von der Kunst, der Tag ausgelöscht, die Aufgabe getan, Du tauchst empor, lautlos, schauend, den Dingen nachsinnend, die du am meisten liebst, Nacht, Schlaf, Tod und die Sterne Er lächelte still vor sich hin. Irgendwie erinnerte Whitman ihn immer an New Bern, und
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